Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
richtig Krankes, S&M-Dreck oder so?«
»Dass du zu diesem Schluss kommst, beantwortet doch deine Frage, oder?«
Temple setzte eine finstere Miene auf. »Um Himmels willen, jetzt zeigen Sie mir schon das verdammte Foto.«
Parrish zog einen der Farbabzüge aus der Mappe und reichte ihn Temple.
Wie zuvor Landry zeigte auch Temple nicht die geringste Reaktion. Parrish fragte sich, seit wann die Leute derart abgestumpft reagierten. Hatte sich die Welt längst an diesen Dreck gewöhnt?
»Es stammt aus einem Film«, sagte Temple. »Das sieht man an den unscharfen Zonen an den Rändern. Jemand hat ein Standbild aus einem Film genommen und auf seinem Computer ausgedruckt.«
»Was ist mit dem Mädchen?«
Temple schüttelte den Kopf. »Verdammt, Parrish, die sehen doch alle gleich aus. Hat man hundert gesehen, dann kennt man sie alle. College-Bienen, Ponys, Pferdeschwänze, Haarspangen, weiße Socken, Cheerleader-T-Shirts. Alles ganz simpel.«
»Das nennen Sie simpel ?«, fragte Radick.
Temple lächelte schief. »Sie waren nie bei der Sitte, oder?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sollten sich mal mit ein paar Kollegen von der Sitte unterhalten. Das hier? Das ist gar nichts im Vergleich zu dem, was sonst noch im Umlauf ist.«
»Also, wer ist sie, Larry?«, fragte Parrish.
»Wer sie ist? Das weiß der Himmel.«
»Ich meine nicht ihren Namen, ich meine, wer sie ist. Was muss passieren, ehe ein Mädchen in eine solche Situation gezwungen wird? Wie läuft das üblicherweise ab?«
»Sie kennen doch die Geschichte. Sie sind lange genug dabei. Die Biene will Filmstar werden. Vielleicht entwickelt sie eine Sucht. Dann passiert irgendwas, jemand wird auf sie aufmerksam, und alles ist vorbei. Sobald dich diese Leute an der Angel haben, ficken sie dich zu Tode, und zwar bildlich und wortwörtlich.«
»Und das Foto? Ist es echt oder gestellt?«
»Für mich sieht es ziemlich echt aus. Sie ist eine Ihrer Toten, stimmt’s?«
»Ja, das ist sie.«
Larry seufzte und schüttelte den Kopf. »Armes Ding.«
»Aber du kaufst diesen Mist, Larry«, sagte Parrish, ehe ihm bewusst wurde, dass er sich nicht nur provozieren ließ, sondern dass seine Argumente ins Leere liefen. Das Irrationale ließ sich nicht rational fassen. Einige der schlimmsten Serienmörder konnten echtes Mitgefühl entwickeln, wenn man sie mit Fotos ihrer eigenen Opfer konfrontierte.
»Ich will, dass du dich umhörst, Larry. Ich will, dass du das Foto behältst. Zieh Erkundigungen ein. Wenn du irgendwas findest, gib mir Bescheid.«
»Verdammt, wie käme ich dazu?«
Parrish zögerte. Abwechselnd ballte und öffnete er seine Fäuste. Er zählte bis fünf. Schließlich beugte er sich so weit vor, dass sein Gesicht nur noch Zentimeter von Larrys entfernt war.
»Weil du im tiefsten Inneren ein guter Mensch bist, Larry. Weil du insgeheim in deinem Herzen begreifst, dass jedes einzelne dieser Mädchen eine Mutter und einen Vater hat, Brüder, Schwestern, Vettern, was auch immer. Sie alle hatten ihr Leben, bis jemand – wie du es so poetisch formulierst – sie zu Tode gefickt hat. Weil du im Innersten gut bist, wirst du mich anrufen. Und um dir ein kleines bisschen das Anrecht zu verdienen, weiterhin ein menschliches Wesen genannt zu werden. Deshalb, Larry. Jimmy wird dir seine Karte geben, und wenn du etwas hörst oder siehst, was uns nützlich sein könnte, rufst du ihn an. Haben wir uns verstanden, Larry?«
Larry Temple nickte gequält und peinlich berührt.
Parrish wartete nicht ab, bis er zur Tür gebracht wurde. Radick überreichte seine Karte und trat ebenfalls hinaus auf den Flur.
Auf dem Rückweg, in der angespannten und unbehaglichen Atmosphäre im Auto, erhielt Parrish einen Anruf vom Revier.
Als das Gespräch beendet war, sagte er nur: »Landry glaubt, er hat etwas gefunden.«
Radick trat das Gaspedal durch.
60
Es stand außer Frage, dass es sich um ein Bild aus demselben Film handelte. Es stand außer Frage, dass es Jennifer zeigte. Eine winzige Werbung im hinteren Teil eines der Magazine von Richard McKee verkündete grell: S&M TEENS!! Darunter war ein Postfach angegeben, an das man fünfundzwanzig Dollar schicken konnte. Dafür sollte man – in diskreter Verpackung – eine Kopie von HURTING BAD erhalten, und, sofern man seine Bestellung vor dem 31. März 2007 aufgab, außerdem eine Gratiskopie von EAT ME BEAT ME .
»Das ist sie, ganz klar«, stellte Landry fest. »Ich habe die Anzeige im dritten oder vierten Magazin entdeckt, das ich
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