Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
gelange.«
Er setzte sich auf seinen Platz und fragte: »Wie weit sind Sie denn mit diesen anderen Fällen gekommen?«
»Ich glaube, es tut sich etwas bezüglich dieser Messerstecherei auf dem Campus. Ich habe eine Fahndung veranlasst.«
»Und die U-Bahn?«
»Frank, ganz ehrlich? Dabei wird nichts herauskommen. Keine Zeugen, niemand hat sich gemeldet, auch seine Freunde und seine Familie konnten nichts beitragen. Die Wahrscheinlichkeit, den Fall jemals abzuschließen, liegt bei eins zu einer Million.«
»Das denke ich auch«, sagte Parrish.
»Aber was Rebecca Lange betrifft: Sollten wir nicht dieser Sache nachgehen, von der Larry Temple gesprochen hat? Leute, die möglicherweise einen Porno mit ihr drehen wollten? Er sagte, dass Sie und er dieselben Namen kennen.«
»Es gibt zwei oder drei Möglichkeiten«, erwiderte Parrish. »Ich glaube, ein Kerl ist nach L. A. gezogen, aber es gibt hier noch zwei, die wir uns vornehmen sollten.«
»Wollen Sie das heute tun?«
Parrish schaute auf seine Armbanduhr, als auf einem Schreibtisch ganz in der Nähe das Telefon klingelte. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich muss kurz überlegen, wie wir unsere Zeit am besten nutzen.«
Das Telefon klingelte weiter. Noch drei- oder viermal, dann würde der Anruf auf die anderen Apparate im Büro weitergeleitet.
Sie warteten – Radick und Parrish –, denn sie wussten, dass sie das Gespräch, sollten Engel oder West nicht in den nächsten Sekunden auftauchen, übernehmen mussten.
»Scheiße!«, fluchte Radick, riss den Hörer von der Gabel und drückte die 1.
»Radick hier«, sagte er zu der Telefonistin, »was gibt’s?«
Er griff nach einem Notizblock und zog einen Stift aus der Innentasche seines Sakkos.
»Noch mal«, sagte er und notierte sich eine Adresse. »Gut, wir sind schon unterwegs.«
Radick hängte ein.
Parrish zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Totes Mädchen in einem Pappkarton hinter dem Brooklyn Hospital.«
Es war nahe genug, um zu Fuß zu gehen, und wäre Parrish allein gewesen, so hätte er das auch getan. Sie fuhren über die Fulton Street und die Flatbush Avenue, bogen am Ashland Place links ab und hielten an der Ecke von St. Edwards Street und Willoughby Street. Ein paar Streifenwagenbesatzungen hatten bereits den Eingang zu einer schmalen Gasse abgesperrt, die zwischen zwei Teilen des Gebäudes verlief. Links befand sich der Fort Greene Park, wo sich schon die ersten Gaffer und Neugierigen versammelten. Hätte es eine Vorwarnung gegeben, so wären sie wahrscheinlich samt Kindern hier angerückt, mit Sandwichs und Decken zum Sitzen. Parrish wechselte ein paar Worte mit einem der Uniformierten, die als Erste am Tatort eingetroffen waren. Der Deputy Coroner und die Spurensicherung waren bereits informiert und auf dem Weg hierher. Parrish erfuhr, dass der erste Anruf von einem Hausmeister gekommen war, der für die Müllcontainer am hinteren Ende der Gasse zuständig war. Sie wurden täglich befüllt und ausgeleert, und offenbar war es nicht ungewöhnlich, dass dort auch fremder Müll abgeladen wurde. Diesmal hatte jemand einen großen Pappkarton in die Mitte der Gasse gestellt. Der Hausmeister hatte hineingeschaut und das Mädchen entdeckt. Im Augenblick befand er sich zusammen mit einer Krankenschwester und einem weiteren Uniformierten hinten im Gebäude. Es war ein älterer Mann, der anscheinend auch ohne Zwischenfälle dieser Art Probleme mit dem Herzen hatte.
Die beiden Detectives betraten die schmale Gasse und näherten sich der Kiste. Die Häuserwände ragten zu beiden Seiten mindestens fünfundzwanzig Meter in die Höhe, sodass das Licht hier spärlich war. Parrish blinzelte ins Halbdunkel und fragte sich kurz, wie viele Schatten er selbst mit sich herumschleppte. An Orten wie diesem hier war sein Wissen gefragt. An Orten wie diesem waren die Spezialkenntnisse, die in keinem sonstigen Lebensbereich eine Rolle spielten, von allergrößter Bedeutung. Kleinigkeiten konnten entscheidend sein – und das Offensichtliche ohne jede Relevanz.
Mit einem Teil seines Bewusstseins reagierte Parrish dankbar auf die relative Sauberkeit der Umgebung. Er blieb einen Moment stehen, um sich zu orientieren. Auf der einen Seite der Gasse befand sich ein kleiner Parkplatz, der zum Brooklyn Hospital gehörte, auf der anderen eine L-förmige Einbuchtung für die Müllcontainer. Alles in allem handelte es sich um eine zwanzig bis fünfundzwanzig Meter lange Sackgasse mit dem Ende einer Feuertreppe in rund drei Metern
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