Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
wieder mit Anwälten und mit Juristen des Jugendamts und der Adoptionsagentur zu tun. Ein bisschen habe ich da mitgekriegt. Ich bin schließlich kein Vollidiot.«
»Das behauptet auch niemand.«
»Und wozu soll das alles hier dienen, hm? Warum holen Sie mich her und stellen mir Fragen, auf die ich nicht antworten kann? Warum stehe ich im Mittelpunkt Ihrer Ermittlungen?«
»Wie kommen Sie darauf, dass Sie im Mittelpunkt stehen?«
»Gott im Himmel, das ist doch wohl offensichtlich. Die Dinge, nach denen Sie fragen; der Umstand, dass Sie Kontakt mit meiner Exfrau aufgenommen haben.«
»Aber vielleicht sind Sie nicht der Einzige, mit dem wir uns unterhalten, Mr McKee. Sie könnten einer von mehreren Angestellten der Jugendbehörde sein, mit denen wir sprechen. Wir könnten eine Reihe anderer Exfrauen und Freundinnen und Geliebten und Gott-weiß-wen befragt haben, um bestimmte Zusammenhänge zu verstehen. Was bringt Sie also auf die Idee, dass Sie im Mittelpunkt unserer Ermittlungen stehen?«
»Nichts.«
»Haben wir irgendwelche Beschuldigungen gegen Sie erhoben?«
Nach einem kurzen Blick auf Radick wandte sich McKee wieder Parrish zu. »Nein.«
»Haben wir auch nur angedeutet, dass wir vorhaben, irgendeine Beschuldigung gegen Sie zu erheben? Haben wir vorgeschlagen, dass Sie einen Anwalt mitbringen sollten? Haben wir Ihnen Ihre Rechte verlesen? Haben wir uns auch nur die Mühe gemacht, Notizen zu machen oder unsere Gespräche aufzuzeichnen?«
McKee nahm einen langen und tiefen Atemzug. »Nein, Detective Parrish, das haben Sie nicht.«
»Deswegen fällt es mir auch schwer zu verstehen, warum Sie sich so paranoid verhalten.«
»Ich bin nicht paranoid.«
Parrish lächelte. »Ich glaube, Sie haben zu viele Folgen von Law and Order, Special Victims gesehen, Richard, wirklich. In der Realität sind solche Ermittlungen nicht innerhalb einer Stunde abgeschlossen. Einen Fall wie unseren – sechs tote Mädchen über einen Zeitraum von fast zwei Jahren – packt man nicht einfach in einen Karton und bindet eine Schleife darum. Die Ersten, die wir in einem Fall wie diesem befragen, sind die Familien der Opfer. In diesem speziellen Fall ist es allerdings ausnahmslos so, dass diese Familienmitglieder geschieden, einander entfremdet, nicht zu erreichen, nicht gesprächsbereit oder gar tot sind. All diese Mädchen wurden adoptiert oder standen kurz vor der Adoption. Auf alle wartete ein Neuanfang, bis jemand diese Chance zerstört hat, verstehen Sie?«
»Ja, natürlich.«
»Nun, als Vater und als Mordermittler stehe ich also in einer Situation, in der ich den Teufel tun werde, diese Angelegenheit lasch anzugehen. Ich habe sechs tote Teenager, und soweit ich es bis jetzt überblicken kann, wurden sie alle zum Zweck pornografischen Missbrauchs entführt und – als dieser Zweck erfüllt war – ermordet. Ich könnte mich natürlich irren. Ich könnte weit danebenliegen, aber das glaube ich nicht. Ich fange also an, Fragen zu stellen, ich fange an, ein bisschen tiefer zu schürfen – und finde eine Verbindung zur Jugendbehörde und zur Adoptionsagentur. Ich fange an, mit den Angestellten zu sprechen, und stoße dabei auf jemanden, der indirekt mit diesen Fällen zu tun oder in einem gewissen Rahmen wenigstens Zugang zu den Akten hatte. Und in der Vorgeschichte dieses Mannes findet sich … sagen wir einfach, in seiner Akte findet sich ein Vorfall, eine kleine Notiz, die vermuten lässt, dass er sich mit bestimmten Vorlieben in Schwierigkeiten gebracht hat. Können Sie mir so weit folgen?«
»Ja.«
»Also sprechen wir mit seiner Frau, und sie erzählt uns, dass er einen Hang zu einer bestimmten Art pornografischer Literatur hatte. Sie sagt, ein Teil davon befände sich noch in ihrem Haus. Ob wir es vielleicht abholen wollten? Sie macht sich Sorgen, dass die Kinder es zufällig finden. Wir sagen Ja, wir nehmen ihr dieses Zeug ab, und soweit wir es beurteilen können, findet sich in diesem Material nichts offensichtlich Illegales, auch wenn es einige Fotos von Mädchen enthält, die sich vielleicht für älter ausgegeben haben, als sie in Wirklichkeit waren. Solche Dinge kommen vor, Richard. Ich muss leider sagen, dass so etwas gar nicht so ungewöhnlich ist. Wir sind neugierig, Richard, weiter nichts. Vielleicht hat all das nicht das Mindeste mit Ihnen zu tun. Aber auch dann wäre es unverzeihlich nachlässig von uns, solchen Anhaltspunkten nicht mit einer gewissen Beharrlichkeit und Entschlossenheit zu folgen. Begreifen
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