Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
aufgefunden wurde. Nun ja, Signale waren Signale, und was Frank Parrish betraf, deuteten sie in diesem Fall alle in dieselbe Richtung.
Der Überfall wurde von vier Männern verübt und verlief genau nach Plan. Sie betraten die Bank um 11:41 Uhr und verließen sie wieder um 11:56 Uhr. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein Friseurladen. Von dort aus hatte ein Polizist namens Richard Jackson außerhalb seiner Dienstzeit die Bankräuber bemerkt. Mit nassen Haaren und einer gezogenen .38er verließ er den Laden. Er stand nicht auf der Gehaltsliste der Saints, denn sonst hätte er gewusst, dass er sich besser nicht einmischte. Hier ging es ums Geschäft, und das Letzte, das sie brauchten, war ein Draufgängertyp in Uniform, der mitten in die Party platzte. Doch genau das tat er, und zur Belohnung für seine Mühe erhielt er einen Bauch voller Schrotkugeln und stürzte rückwärts durch das Schaufenster des Friseurladens, während die vier Männer wie der geölte Blitz verschwanden. Wäre der tote Cop nicht gewesen, dann hätte sich die ganze Angelegenheit zu nichts als einem weiteren ungelösten Fall des Raubdezernats entwickelt. Die Feds wären jedem auf die Füße getreten, aber irgendwann hätten sie zu treten aufgehört, schließlich waren sie genauso unterbezahlt und überarbeitet wie alle anderen. Nein, es war definitiv der tote Cop, der die Suppe versalzte. Ganz plötzlich war Richard Jackson ein Held. Ein Polizist außer Dienst in einem Friseurladen, der einfach versuchte, sich anständig zu verhalten. Er hatte kein Funkgerät dabeigehabt, um Verstärkung anzufordern, und daher den Ladenbesitzer gebeten, 911 zu wählen, was dieser auch tat. Aber bei Notrufeinsätzen betrug die Reaktionszeit Minuten, nicht Sekunden, und die Geschwindigkeit, mit der die Dinge ihren Lauf nahmen, führte dazu, dass bereits alles zu spät war, als die Einsatzkräfte am Tatort eintrafen. Wer Kugeln abbekommen sollte, war längst getroffen. Wer sterben sollte, war bereits tot. In diesem Fall war es Jackson, und wer immer von den Internen Ermittlern und dem Raubdezernat noch auftauchen sollte, um zu helfen, konnte nichts mehr tun. Diesmal nicht.
Und was das anschließende Töten zweier Polizisten betraf, so war das nicht besonders schwierig. Jemand löst mit einem Anruf einen Einsatz der Task Force aus, John Parrish und George Buranski werden losgeschickt, ein anderes Mitglied der Saints wartet auf sie, und damit ist alles erledigt. Die Einheit hat einen Notruf in den Akten, und derjenige, der diesen Anruf abgesetzt hat, war klug genug, eine Telefonzelle zu benutzen und sich über die Zentrale verbinden zu lassen, sodass der Anruf nicht zurückverfolgt werden konnte. Nun gab es also zwei tote Cops in einem heruntergekommenen Haus an der Ferris Street. Frank Parrish konnte später nur mutmaßen, dass sein Vater und George Buranksi Verbindungsmänner gewesen waren. Sie hatten sich um die Räuber und um den Wachmann gekümmert, hatten alle nötigen Arrangements getroffen, und damit waren sie es, die den Job an die Internen Ermittler, die Brooklyn Task Force oder an Captain James Barry, den Chef der Einheit persönlich, verraten konnten. Also mussten sie verschwinden. John Parrish und George Buranski waren gute Polizisten. Man würde sie aufrichtig vermissen. Sie wurden mit allen Ehren begraben, und ihre Ehefrauen erhielten die Pensionen, die ihnen zustanden. Das letzte Kapitel war geschrieben, das Buch wurde zugeklappt. Den Wachmann der East Coast Mercantile, Excop Mitchell Warner, hatte seine Pflichtverletzung, das vermeintliche Versagen, das zum Tod eines Polizistenkollegen geführt hatte, derart mitgenommen, dass er sich nur Stunden später das Leben nahm. Frank Parrish war klar, dass Warner sich genauso wenig umgebracht hatte wie Richard Jackson, sein eigener Vater oder George Buranski.
Es hatte sich um eine interne Angelegenheit gehandelt, von A bis Z, und solche Angelegenheiten gelangten zum Wohl aller Beteiligten nicht an die Öffentlichkeit.
James Barry, ehemaliger Kopf der Brooklyn Organized Crime Task Force, war längst in den Ruhestand getreten. Die Task Force war – jedenfalls unter dieser Bezeichnung – im Jahr 2000 aufgelöst worden, doch ihr Erbe lebte fort. Man begegnete ihr ab und zu, wenn ein altgedienter Mafioso einkassiert wurde. Dann bat er darum, mit Soundso sprechen zu dürfen, weil er glaubte, dass das richtige Wort im richtigen Ohr dafür sorgte, dass er schleunigst wieder mit den Enkeln bei
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