Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
erledigte. Aber mein Vater, der große Held, der anscheinend alle in Verzückung bringt, der Mann, hinter dessen Maßstäben ich in jeder erdenklichen Hinsicht zurückgeblieben bin – er war korrupt. Und soweit ich es beurteilen kann, war er der schlimmste von allen.«
»Also nehmen Sie es den Leuten übel, wenn man Sie mit ihm vergleicht?«
»Übel nehmen? Warum sollte ich es übel nehmen? Der Drecksack ist tot.«
»Ich meine nicht, ob Sie es ihm übel nehmen. Ich meine, ob Sie vielleicht sauer sind, dass die Leute ihn als Helden bezeichnen, obwohl er es nicht war.«
»Die Leute denken, was sie wollen, und sie reden, was sie wollen. Ich habe weder die Zeit noch die Absicht, ihre Ansichten zu verändern. Ich denke, es reicht, wenn ich die Wahrheit weiß.«
»Das reicht Ihnen? Ist das wirklich Ihre Einstellung?«
»Nun, das will ich doch hoffen. Denn etwas anderes bleibt mir kaum übrig.«
»Gut, erzählen Sie mir, wie er war. Und diese anderen, die Saints of New York.«
»Es waren alles OCCB -Cops, und sie waren alle krumm wie Angelhaken. Eine Handvoll von ihnen hat ausgereicht, um es der Mafia am JFK-Airport sehr leicht zu machen.«
»Meinen Sie den Lufthansa-Raub? Ich habe GoodFellas gesehen.«
»Na ja, Sie haben die Spitze der Fahne auf dem Berggipfel gesehen, Süße, aber nicht den Berg selbst. Ich fürchte, das muss noch warten. Ich werde heute Morgen meinem neuen Partner vorgestellt.«
»Frank … verdammt, Frank, deswegen müssen Sie pünktlich kommen. Wenn wir mit so etwas wie heute anfangen, müssen wir einen guten Punkt erreichen, bevor wir wieder aufhören.«
»Das Leben geht weiter, verstehen Sie? Ich bin sicher, Ihr Tag ist genauso voll von aufregenden Erlebnissen wie meiner.«
»Gut … also machen wir morgen weiter.«
»Klar.«
»Und sonst geht es Ihnen gut?«
»Ganz gut, ja.«
»Können Sie schlafen?«
»Mit Unterbrechungen.«
»Wollen Sie etwas, das Ihnen beim Durchschlafen hilft?«
»Gott, nein. Wenn ich damit erst mal anfange, höre ich nicht mehr auf.«
»Gut, Frank, dann sehe ich Sie morgen. Einen schönen Tag noch.«
10
Radick und Parrish hatten sich seit gut zwei oder drei Jahren nicht gesehen. Radick war vom Drogendezernat gekommen, wo er so lange durchgehalten hatte, bis das, was er dort gesehen und gehört hatte, ihm allzu sehr unter die Haut gegangen war. Man konnte nur eine begrenzte Zahl toter Junkies sehen, nur eine begrenzte Zahl Dealer verhören, nur eine begrenzte Zahl von Fällen in sich zusammenfallen sehen, ehe man irgendwann anfing, die Scheiße mit nach Hause zu nehmen.
Soweit Parrish es beurteilen konnte, hatte Jimmy Radick sich äußerlich nicht verändert.
Umgekehrt schien Parrish, Radicks Meinung nach, rund zehn Kilo abgenommen zu haben. Außerdem wirkte er um zehn Jahre gealtert. Ihn umgab die Aura eines Trinkers mit schlechtem Gewissen: ein Doppelter, um die Schmerzen der alltäglichen Frustrationen abzumildern, und noch zwei Dopelte, um die Schuldgefühle wegen des Trinkens zu beruhigen. Von diesem Punkt an ging es nur noch abwärts. Die schlimmsten Fälle kamen morgens, noch betrunken vom Abend zuvor, zur Arbeit und verbrachten zwei von fünf Diensten beim Polizeiarzt. Sosehr sie auch versuchten, den Zug aufzuhalten, er war längst unerbittlich ins Rollen geraten.
»Ich muss Sie einander nicht vorstellen, oder?«, sagte Haversaw. »Sie kennen sich ja bereits.«
Jemand war an der Tür: »Herein«, brüllte Haversaw, und Squad Sergeant Valderas betrat den Raum. Valderas war ein Karrierepolizist. Hatte nie etwas anders gewollt und würde nie etwas anderes wollen. Jeden Abend bügelte er ein frisches Hemd für den nächsten Tag.
»Frank«, sagte er nüchtern. Dann streckte er Radick, der sich von seinem Stuhl erhob, die Hand entgegen. Wortlos begrüßten sie sich. Schließlich nahm Radick wieder Platz, und Valderas lehnte sich gegen die Wand.
»Antony hat hier ein gutes Team«, erklärte Haversaw dem Neuling.
Radick warf Parrish einen Blick zu. Die üblichen aufmunternden Worte.
»Sie haben es mit Frank hier zu tun, außerdem mit Paul Hayes, Bob Wheland, Mike Rhodes, Stephen Pagliaro, Stan West und Tom Engel. Kennen Sie die Männer?«
»Ein paar von ihnen«, erwiderte Radick.
»Gut, Sie sind in Team zwei zusammen mit Frank. Insgesamt haben wir acht Männer, vier Paare, alle zwei Wochen im Wechsel geteilte Schichten. Richten Sie sich auf häufige Überstunden ein. An Wochenenden, falls Sie nicht sowieso Dienst haben, zählen die Überstunden
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