Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
die den Flugplatz leiteten?«
»Was meinen Sie?«
»Haben sie keine Sicherheitsleute beschäftigt? Hat sich die Polizei vor Ort nicht um die Sicherheit am Flughafen gekümmert?«
»Die Hafenbehörde schickte täglich über hundert uniformierte Polizisten aufs Flughafengelände. Dazu gab es Zollinspektoren, das FBI und zusätzliche Polizisten vom hundertdritten Revier. Aber wir reden über zwanzig Quadratkilometer bebautes und unbebautes Gelände. Nehmen wir zum Beispiel das Zollgebäude. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stockwerke es besaß – zehn, zwölf, etwas in der Größenordnung. Ein riesiges Gebäude. Leute kamen und gingen. Keine Kontrollen, die den Namen verdienten. Und hier befanden sich die Verteilerfächer mit den Frachtbriefen und Lieferscheinen für jede Ladung, die über den Flughafen transportiert wurde. In den frühen Sechzigerjahren wurden Waren im Wert von dreißig Milliarden über Idlewild abgewickelt. Wenn am Flughafen also Waren im Wert von dreißig Millionen Dollar verschwinden, macht das nur ein Zehntelprozent aus. Selbst bei dreihundert Millionen sprechen wir nur von einem Prozent. Also werden diese Verluste bei der Versicherung geltend gemacht, die Versicherung zahlt und erhöht die Prämien, und alles in allem hat man viel weniger Stress und weniger Kosten, als wenn zusätzliches Sicherheitspersonal – Manager und einfache Angestellte – angeworben würde. Verstehen Sie? Für den Flughafen kam es letztlich aufs Gleiche raus.«
»Und die Polizisten, die dort täglich arbeiteten … nahmen sie auch Bestechungsgelder?«
»Aber natürlich. Die Polizei, die Zollbeamten, sogar manche Bundespolizisten. Nehmen wir zum Beispiel die Flugtickets. Irgendwelche Typen tauchten mit einem Dutzend gestohlener Kreditkarten auf und kauften eimerweise Tickets, die sie dann für Bargeld weiterverkauften, manchmal zu einem günstigeren Preis. Frank Sinatra hat einmal eine landesweite Tournee mit einem Bündel gestohlener Flugtickets bestritten.«
»Sie machen Witze.«
»Absolut nicht. Sein Manager hieß Dante Barzottini. Er kaufte Tickets im Wert von fünfzigtausend Dollar von jemandem, der sie mit gestohlenen Karten erworben hatte. Und der Manager benutzte diese Tickets, um Sinatra und acht Begleiter quer durchs Land fliegen zu lassen. Dafür wurde Barzottini schließlich hochgenommen und in den Knast gesteckt.«
»Und es hat sich nie jemand getraut, gegen diese Leute auszusagen?«
»Es gab Versuche, natürlich, aber dann wurden die Leute ermordet. Informanten, Zeugen, manchmal ein Dutzend pro Jahr.
Was das meiste Geld einbrachte, waren übrigens die Kaperungen. Diese Kerle waren die Kaperkönige. Erinnern Sie sich, dass ich Jimmy Burke erwähnte? Er war so verdammt gut im Kapern, dass sich die Colombo-Familie in Brooklyn und die Luccheses in Queens seine Dienste teilten. Das war der erste und einzige Fall, von dem ich weiß, dass ein Mann für zwei Familien arbeitete. Er hatte sein eigenes Team – Leute wie Tommy DeSimone, Angelo Sepe und jemand namens Skinny Bobby Amelia –, doch der wirkliche Star war Jimmy Santos. Santos war ein Excop, der wegen bewaffnetem Raubüberfall verurteilt worden war. Er saß seine Zeit ab und wechselte dann zu den Bösen über. Und Jimmy Santos kannte jeden. Er wusste, wer anständig war und wer nicht, wer Geld annehmen würde und wer nicht. Er wusste, welche Jungs eine Geliebte oder Probleme mit ihren Unterhaltszahlungen hatten. Er wusste, welche Cops spielten und wer von den Spielern die größten Schulden hatte. Durch seine Kontakte zur Polizei bekam er alles mit, und er sorgte dafür, dass die Männer, die er haben wollte, an den Flughafen versetzt wurden. Am Ende arbeitete rund die Hälfte aller Polizisten am Flugplatz für den Mob, und so kam auch mein Vater ins Spiel.«
»Er kannte Santos.«
»Er hatte von Santos gehört. Mein Vater wurde 1967 zum Sergeant befördert. Er arbeitete hier in Brooklyn und leitete die Abteilung, die sämtlichen Papierkram für die Versetzungen zwischen den einzelnen Revieren erledigte. Auf seinem eigenen Revier gab es zwei Kollegen, die an den Flugplatz versetzt werden wollten, der inzwischen in JFK umbenannt worden war. Jedenfalls kam es ihm komisch vor, dass zwei seiner besten Leute im Abstand von zwei oder drei Monaten zur selben Dienststelle wechseln wollten. Also schaute er ein wenig genauer hin und entdeckte die Verbindung zu Santos. Und was tat er? Er ging zu Santos und erklärte ihm, er könne die Männer nicht haben, es
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