Der Schrei des Eisvogels
mit irgendeinem genialen Plan rausrücken würden, wie ich künftig in der Sakristei malen könnte. Aber es würde Kee eine Menge Probleme bereiten. Vielleicht ist es ihr nicht mal bewusst, aber sie gehört zu den Leuten, die das Haus gern voller Kinder haben. Es könnte sein, dass sie zu der Überzeugung käme, dass sie darauf verzichten muss, weil es schon ein Fulltimejob ist, mich zu bemuttern.«
»Und wieso sagst du ihr nicht, dass du selber auf dich aufpassen kannst?«
Sie lachte amüsiert.
»Komm schon, Justin, außer Kee kennt mich keiner so gut wie du. Aus künstlerischer Sicht kennst du mich sogar am besten. Also weißt du auch ganz genau, dass ich nach spätestens einem halben Jahr, in dem ich für mich selber sorge, entweder an Lebensmittelvergiftung gestorben oder wegen unbezahlter Rechnungen verhaftet wäre. Nein, ich müsste schon in Pflege gegeben werden, wenn Kee die Chance auf das Leben haben soll, das sie verdient.«
Sie sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich bin nicht sicher, worauf du hinauswillst …«, sagte er.
»Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, war ich mir ziemlich sicher, worauf
du
hinauswolltest.«
»Caddy, ja, das war eine Verirrung, die meine egoistische Reaktion hinterher nur noch schlimmer gemacht hat …«
»Moment mal. Willst du damit sagen, dass du mich eigentlich gar nicht ficken wolltest?«
»Nein, ich meine, ja, sicher, aber nein, nicht so brutal …«
»Du meinst, dass du mich in Wirklichkeit, tief drinnen, respektierst?«, spöttelte sie.
»Ja, das tue ich wirklich.«
»Ich glaube dir«, sagte sie. »Das hat dich immer unter dem ganzen Haufen Scheiße erträglich gemacht, Justin. Du weißt, worum es mir geht, manchmal bist du mir sogar ein ganzes Stück voraus. Aber das ändert nichts daran, dass du dich an meinen Titten aufgeilst. Sieh mal, du musst verstehen, das bedeutet mir alles nicht gar so viel. Irgendwann vielleicht mal, aber im Moment nicht. Womit ich nicht sagen will, dass ich es über mich ergehen lasse und krampfhaft an was anderes denke. Aber das hier wird immer an erster Stelle stehen. Immer und grundsätzlich. Kannst du mir folgen?«
Sie machte eine Geste, die ihr Atelier mit allem Drum und Dran erfasste.
»Ich glaube, ja«, sagte er vorsichtig. »Du möchtest, dass ich als, hm, dein Mäzen fungiere …?«
»Mäzen? Bloß nicht. Ich will keinen Gönner. Ich will verwöhnt, getröstet, beraten, ermutigt werden. Würdest du das schaffen, Justin?«
»Ich glaube, ja«, sagte er. Er sah sich noch einmal das Porträt von Wield an. »Genauer gesagt, ich würde es als Privileg auffassen.«
»Und ein Privileg verdient ein anderes«, sagte Caddy.
Sie überkreuzte die Hände am Saum ihres langen, losen Kittels und zog ihn in einer einzigen, zügigen Bewegung über den Kopf, so dass sie bis zur Taille nackt dastand. Der Reißverschluss ihrer Jeans schien aus eigenem Antrieb aufzuspringen, und sie streifte sie mühelos von ihren starken, braunen Beinen.
Halavant blieb der Mund offen stehen, und er machte unwillkürlich einen Satz nach hinten.
»Keine Zeit zum Tanzen, Justin«, sagte sie. »Das hier ist ein Workshop, keine Vernissage. Falls Kee sich den Pfarrer noch nicht eingefangen hat, kann sie jeden Moment zurück sein.«
Einen Moment lang zögerte Halavant, aber nur einen Moment lang. Es gibt Gezeiten, und seine Flut war so kurz vor dem Höhepunkt, dass er handeln musste. Rasch zog er die eleganten Sachen aus. Natürlich gab es nirgends eine Möglichkeit, sie aufzuhängen, und so suchte er sich eine Stelle auf dem Boden, die nicht offensichtlich feucht war, und ließ sie fallen. Von jetzt ab, vermutete er, würde das Leben voll von solchen Opfern sein. Aber auch voll von, oh, solchen Belohnungen!
»Du siehst fast so aus, als wolltest du ohne mich anfangen?«, spöttelte sie. »Ist es hier in Ordnung, oder stehst du auf Treppen?«
Sie riss die Tür auf, während sie sprach.
Jason Toke, der auf dem schmalen Treppenabsatz gekauert hatte, sprang hoch wie ein vom Trommeln des Treibers aufgeschrecktes Tier. Einen Augenblick lang starrte er auf die nackten Gestalten vor ihm, um dann mit einem so schrillen Schrei, dass er schon fast unhörbar war, die Treppe hinunter und aus der Galerie zu flüchten. Auf dem Treppenabsatz lag ein Renoir-Katalog.
»Was zum Teufel wollte der denn?«, rief Halavant.
»Nichts«, sagte Caddy. »Nur mir ein Geschenk bringen. Ich glaube nicht, dass er wiederkommt.«
»Bist du sicher?«
»Spielt das eine
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