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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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die Erbfolge zu durchbrechen? Sein eigener Vater hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihm sein jüngerer Sohn Guy näher stand. Aber
Fuctata non Perfecta
. In den natürlichen Gang der Dinge greift man nicht ein, und so hatte er geerbt. Demnach war es nur recht und billig, dass der heutige Guy seinerseits erbte.
    Das hatte er Girlie erklärt, hatte ihr gesagt, er würde ihr hinterlassen, was immer er an persönlichen Gütern besaß (was herzlich wenig war), und hatte hinzugefügt (was noch weniger besagte), dass er Guy an seine Familienpflicht gemahnen würde, dafür zu sorgen, dass Girlie und Fran ein Dach über dem Kopf hatten.
    Sein persönlicher Rat ging dahin, dass Girlie nicht allzusehr auf die Güte ihres Cousins bauen solle, sondern, solange sie noch jung war, ihr unbestrittenes Talent, Geld zu verdienen, künftig besser auf sich selbst als auf das Gut verwendete.
    Sie hatte ihm höflich zugehört, danke gesagt und sich wieder an ihre Arbeit gemacht.
    Jetzt erfüllte ihn die düstere Ahnung, dass sie kommen und ihm sagen würde, sie hätte seinen Rat beherzigt und wollte gehen.
    Er konnte es ihr nicht verdenken. Aber, Gott, wie sehr sie ihm fehlen würde!
    Es klopfte an der Tür, da war sie. Er setzte sich auf und machte sich auf schlechte Nachrichten gefasst.
    Es kam besser und schlimmer zugleich.
    Als sie fertig war, senkte sich ein Schweigen zwischen sie, das sich ausbreitete, als wolle es die Leere füllen, die das schwindende Licht hinterließ.
    Sie hatte ihn nicht um eine Entscheidung gebeten, doch er wusste, dass eine von ihm erwartet wurde.
    »Morgen«, sagte er endlich. »Gib mir Zeit bis zur Abrechnung. Bis dahin habe ich mich entschieden.«

Fünf
    »Ich war so höflich zu ihnen, wie es ihr schlechter Atem eben zuließ.«
    A uch über den neuesten Bewohner von Enscombe legte sich die Dunkelheit, brachte jedoch nichts Schlimmeres mit sich als die Erkenntnis, dass er seit zehn Stunden nichts gegessen hatte und verdammt hungrig war!
    Wield ging in die Küche von Corpse Cottage, machte den Kühlschrank auf und trat mit einem Schauder zurück. Er hatte einladendere Tatorte gesehen. Die Kids von heute waren ein primitives Volk und stopften ein Zeug in sich hinein, das die meisten westlichen Touristen für zwei Wochen flachlegen würde.
    Da blieb nur der Morris. Seine beiden Vorgesetzten hatten den Pub empfohlen, und so kam es fast schon einer Pflichtverletzung gleich, das Angebot nicht einer Stichprobe zu unterziehen.
    Er trat vor die Tür. Das Haus war innerhalb des Dorfes erstaunlich abgelegen. An die Friedhofsmauer gebaut, die High Street unten außer Sichtweite und das Pfarrhaus oben gerade noch zu sehen, lag Corpse Cottage ideal, um von Geistern heimgesucht zu werden. Doch wie er auf der Türschwelle stand, empfand er allenfalls so etwas wie Besitzerstolz.
    Er spürte die nächtliche Brise auf der Haut und pfiff auf seinem Weg zum Pub
When the night wind howls in the chimney cowls
.
    Zwei Dinge überraschten ihn, als er die Tür aufmachte – zum einen, wie voll es so früh am Abend war, und zum anderen, dass sein Erscheinen nicht diesen Moment taxierender Stille auslöste, der normalerweise jeden Neuling in einem Dorfpub erwartet. Vielmehr bekam er sogar von ein oder zwei Gesichtern, die er kannte, ein freundliches Nicken zum Gruß.
    An der Bar sagte ein Mann, in dem er den Wirt vermutete: »Ein Glas vom Besten, Sergeant?«, und zapfte schon, während er sprach, das Bier.
    »Danke«, sagte Wield und griff in die Tasche.
    »Das erste geht aufs Haus«, sagte Wapshare. »Ich komm schon noch auf meine Kosten. Was Neues von unserem glücklichen Wanderer?«
    »Bisher nicht«, räumte Wield ein.
    »Keine Sorge. Der taucht bestimmt wieder auf. Und Sie bleiben über Nacht in der Corpse Cottage, um ihn zu empfangen? Das ist nett!«
    Der Mann weiß alles, hatte Pascoe ihn gewarnt. Aber erzählte er auch alles, was er wusste? Wield kostete am Bier und befand, wie schon Pascoe vor ihm, dass ein paar Zugeständnisse nicht schaden würden.
    »Für einen so frühen Abend unter der Woche sind Sie aber gut im Geschäft«, bemerkte er.
    »Nee, das ist nich immer so«, sagte Wapshare. »Die sind nur alle auf dem Weg zur Versammlung.«
    Er nickte in Richtung der Münzpyramide zur Rettung der Schule, vor der ein Schild für eine Zwischenberichtsversammlung warb, die um acht in der Dorfhalle stattfinden sollte.
    »Ich hoffe, es gibt gute Neuigkeiten«, sagte Wield. »Könnte ich vielleicht einen Happen

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