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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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seine vernachlässigten Papiere beugte. Er wusste, dass es von Anfang an ein Fehler gewesen war. Sobald er diese Sehnsüchte verspürt hatte, hätte er schnurstracks zum Bischof gehen und ihm sagen müssen, dass er nicht in Enscombe bleiben könne. Was machte es schon, wenn er sich blamierte? Das wäre alles nicht so schlimm gewesen wie dieser Schlamassel, in den er sich da reingeritten hatte. Aber war es denn ein solcher Schlamassel? War es nicht schon immer das Berufsrisiko eines armen jungen Priesters gewesen, über der gefährlichen Kluft zwischen den Gesetzen des Landes und den Bedürfnissen seiner Schäfchen zu taumeln? Sein berühmter Vorgänger Stanley Harding hatte nicht gezögert, in seinem Bemühen, die Schule von Enscombe zu retten, dem Gesetz und der Konvention zu trotzen.
    Aber Harding hatten nur lautere Motive getrieben! Wohingegen er selber in klarer Ablehnung abgewehrt hatte, bis er von Caddys Engagement erfahren hatte … O Caddy, Caddy, Caddy. Würde sie heute abend zu der Versammlung kommen? Wollte er, dass sie kam, oder nicht? Vielleicht wäre es das beste, wenn er selber wegbliebe? Schließlich war vor morgen sowieso nichts sicher. Vielleicht würde es sich am Ende als leerer Trug erweisen, und die Dinge konnten wieder sein, wie sie gewesen waren?
    Er hörte, wie jemand ans Fenster klopfte. Er stand auf und spähte in die Dämmerung. Auf dem Rasen stand, so unwirklich wie die Nebelschleier, die aus dem nassen Gras aufstiegen, die Gestalt einer Frau. Lange betrachtete er das blasse Oval ihres Gesichts, ohne etwas zu sagen und ohne sich zu rühren. Dann schickte er sich, mit einem tiefen Seufzer, an, die Gartentür zu öffnen.
     
    Nur ein einziges Gebäude in Enscombe liegt höher als die Kirche, nämlich Old Hall. Und dies ist von nicht ganz zufälliger Symbolkraft. Die Hall wurde auf den Grundmauern und mit den Steinen (und, munkeln manche, mit dem Vermögen) des alten Margarethenklosters errichtet. Als Thomas Cromwells Abwicklungstrupp diesen entlegenen Teil von Yorkshire erreichte, fanden sie nichts weiter vor als eine rauchende Ruine. Die Priorin, so versicherte ihnen der örtliche Friedensrichter und Gutsherr, ein gewisser Solomon Guillemard, sei vor dem gerechten Zorn des Königs gewarnt worden, und so sei sie in die papistischen Niederlande geflohen und habe alle ihre Anhängerinnen und, schlimmer noch, ihre gesamten Wertsachen, mitgenommen. Als dies ruchbar geworden sei, hätten sich die der Krone treu ergebenen Bauern von Enscombe in heiligem Zorn erhoben und nicht geruht, bis vom Kloster nicht mehr als die heutige wertlose Ruine stehengeblieben war, die Solomon Guillemard gleichwohl gewillt war, aus Vaterlandsliebe und feudaler Pflicht gegen ein sehr geringes Entgelt dem Staate abzunehmen. Die Männer, die den weiten Weg von London hergekommen waren und aus leidvoller Erfahrung wussten, dass es sich selten auszahlte, mit jemandem aus Yorkshire zu streiten, nahmen das Angebot an und eilten zu ihrem nächsten Ziel, um in Jervaulx oder Rievaulx besseres Geld zu machen.
    Dies alles hatte Squire Selwyn in seine Ballade eingearbeitet, doch während er an diesem Abend an seinem Schreibtisch über seinen Papieren saß, wanderten wie bei Lillingstone auch seine Gedanken zu einer Frau.
    Girlie hatte gesagt, sie habe etwas mit ihm zu besprechen, und die Art, wie sie es sagte, machte deutlich, dass es um etwas Wichtiges ging. Er befürchtete das Schlimmste. Hätte sie sich zu einem dieser nutzlosen, flatterhaften Mädchen entwickelt, an die er sich aus seiner Jugend erinnerte, wäre alles in bester Ordnung. Sie wäre vermutlich schon lange fortgegangen und hätte geheiratet. Statt dessen hatte sie die Verantwortung für die Old Hall und alles, was dazugehörte, übernommen, einschließlich Frans und seiner selbst, wahrlich keine leichte Aufgabe! Und mehr noch, sie hatte erstklassige Arbeit geleistet, das Gut vor dem Ruin bewahrt und mit dieser verfluchten Wellnessfarm einen Weg eingeschlagen, der ihm auch künftig das Überleben sichern sollte. Wenn irgend jemand es verdient hatte, das Erbe anzutreten, dann Girlie.
    Aber es konnte nicht sein. Nicht von Gesetzes wegen. Die männliche Erbfolge war längst nicht mehr so unantastbar wie früher. Doch das machte es in seinen Augen umso wichtiger. Wenn ihn sein Studium der Familiengeschichte eines gelehrt hatte, dann, dass die Tradition stets den Vorrang vor persönlichen Launen besaß. Wie viele Squires der Vergangenheit mussten sich gewünscht haben,

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