Der Schreiber von Córdoba

Kopf.
    Dann will er die Dame angreifen.
    Aber ihre Schreie rufen die Wachen
    mit ihren Schwertern auf den Plan. Er ist schnell tot.
    Als die Königin erfährt,
    dass sie nur knapp dem Tode entronnen ist,
    fällt sie auf die Knie.
    Sie erklärt den Vorfall zum Wunder.
    Gott hat seinen Herrschern auf Erden
    wieder einmal das Leben gerettet.
    Auf diese Weise redet sich die Königin ein,
    dass ihre Taten
    in den Augen Gottes wohlgefällig sind.
    Selbst diejenigen, die von den Autodafés abgehärtet und erbarmungslos harte Männer sind, schauen weg.
      
    Tauschhandel
    Wunder oder nicht, der tückische Anschlag
    verdirbt die Stimmung im Lager.
    Das Katapult des Königs, ein Drache aus Holz,
    schleudert die Leiche des Betrügers
    über die Mauer in die Stadt.
    Während des Fluges regnet noch frisches Blut herab.
    Die Malagueños zögern nicht
    mit einer Gegengabe auf das grausame Geschenk.
    Einer ihrer Gefangenen – ein Christ –
    wird auf einem Maultier herausgeschickt. Seine Kehle ist durchgeschnitten.
    Er hängt wie eine längst verwelkte Blume
    vom Rücken des Tieres herab.
    Ich dachte, als Sklave
    wüsste ich, wie es sich anfühlt,
    Handelsgut zu werden,
    wie ein Stück kaltes Fleisch.
    Aber offenkundig
    gibt es noch schlimmere Formen von Handel.
    Ich muss mich verdrücken.
    Was ist, wenn sie denken,
    ich sei an dem Trick beteiligt gewesen?
    Aber was ist mein Leben wirklich wert? Selbst für mich?
    Meine Angst sagt mir die Wahrheit:
    Es ist etwas wert.
    Und mein hämmerndes Herz sagt mir:
    Ich möchte vielleicht leben.
      
    Pulver
    Es waren Mauren, heißt es,
    die es zuerst nach al-Andalus brachten.
    So dankt man es ihnen.
    Bei einem Turm hat es eine Explosion gegeben.
    Eine Bresche ist in ihre Festung geschlagen.
    So weise ist es,
    mörderische Geschenke zu machen.
      
    Heil dem Maurentöter
    Die Männer im Lager sind so schnell wieder munter,
    dass man denken könnte, sie hätten nur
    einen Tag dort festgesessen und nicht drei Monate.
    Auf die Mauerkrone wird das stolze Abzeichen
    von Santiago, dem heiligen Jakobus, gehoben. Einem berühmten Maurentöter.
    Ramón hat eine Santiago-Puppe.
    Eine Stimme ruft: »Bei Santiago!«
    »Santiago!«, antworten die Männer im Lager wie aus einem Munde.
    Der Name schwingt durch meinen Körper,
    als hätte ich ihn selbst ausgerufen.
      
    Bedingungen
    Das Warten ist nicht vorbei.
    Abgesandte kommen aus
    der besiegten Stadt heraus,
    um über die Bedingungen der Übergabe zu verhandeln.
    Niemand von uns erfährt, was gesagt wird.
    Aber jedes Mal, wenn die Malagueños
    aus dem Königszelt herauskommen, sind ihre Gesichter länger.
    Sie haben Angst.
    Dreimal kommen sie.
    Dreimal gehen sie zurück.
    Ich nehme an, sie gehören zur Elite der Stadt,
    aber ihre Kleider hängen in Fetzen an ihnen.
    Sind meine Onkel, als Seidenhändler,
    unter diesen mutigen Männern?
    Ich muss den rechten Moment finden.
    Aber ich wage nicht, mich zu nähern.
    Macht nichts.
    Der Moment findet mich.
      
    Nein
    Eine Stimme bellt: »Du da.«
    Ich rühre mich nicht: »Du da! Junge!«
    Woher soll ich wissen, dass ich gemeint bin?
    Ich sollte es ignorieren.
    Aber, wie die Falken
    bin ich zu gut abgerichtet.
    Ich blicke auf.
    »Du bist doch dieser Dolmetscher, oder?«
    Es ist der Mann der Königin.
    »Komm, reite mit mir.
    Unsere Herrscher können dich gebrauchen.«
    Und dann hebt mich der Mann
    auf den Rücken seines Pferdes,
    noch ehe ich ihm zustimmen kann:
    Nein .
      
    Anblick
    Ich wollte, ich hätte keine Augen,
    um solche Dinge zu sehen.
    Leichen – meine Leute – liegen zuhauf in den Straßen.
    Und überall tote, verrottende Tiere.
    Ich passiere ein Pferd mit aufgerissener Flanke: Sie suchten Essen.
    Eine Frau liegt da und schluchzt, ein elendes Häufchen.
    Als ich näher komme, springt sie auf.
    Läuft weg, als fürchte sie, ich würde sie köpfen.
    Und das Geräusch. Es ist seltsam, ein hohes Summen,
    wie von einer Gitarre mit nur einer Saite.
    Aber es hat nichts mit Musik zu tun.
    Ich kann meine Augen nicht bremsen.
    Sie blicken auf die Leichen.
    Das Geräusch machen Fliegen.
    Wenn ich denke, dass ich einst vor dem Gedanken
    an Soldaten – und zwar lebendigen – zurückschrak,
    die nicht gerne baden!
      
    Die Festung Gibralfaro
    Ein ganz anderes Geräusch von der Kuppe des Hügels,
    der letzten Bastion der Mauren von Málaga.
    Hurra!
    Die Festung hat sich ergeben.
    Das Banner mit dem Halbmond wird von den Mauern gerissen
    und von der Klinge eines Schwertes durchbohrt.
    An seiner Stelle