Der Schreiber von Córdoba
die Schiffe,
die im Hafen hinter uns verkehren.
Seine Flagge tut kund:
Es beherbergt den König.
Es gibt Bäcker und Schmiede
und Künstler mit Staffeleien, die die Szene festhalten.
Niemand will hier fehlen.
Málaga und dann, endlich, die Hauptstadt Granada selbst.
Die letzten Striche an einem großen Meisterwerk.
Der Titel:
Die Heilige Reconquista von Spanien.
Große Händlergruppen sitzen da und kühlen sich die Hacken.
Wenn die Mauer fallen sollte, beginnt die Plünderung.
Männer beim Kartenspiel. Männer beim Kräftemessen. Auch ein paar
Frauen, die sich für Geld anbieten. Die Priester –
von denen es natürlich viele gibt – sind ihnen auf den Fersen.
»Männer, erliegt nicht dem Teufel!«, warnen sie.
»Hütet euch! Bereut! Meidet diese Frauen und betet!
Wie die Festung der Mauren seid auch ihr unter Belagerung!
Die Mächte des Bösen dringen noch durch die Ritzen
der stärksten Rüstung.«
Belagerung
Es ist eine seltsame Art der Kriegführung:
Eine Schlacht des Wartens.
Die Küchenzelte schmiegen sich so dicht
an die Mauer, wie es gerade noch sicher ist.
Zu nah, und die Frauen von Málaga, trotzig und grimmig,
stehen auf der Mauerkrone und schütten
den Köchen siedendes Öl
auf die Köpfe.
Aber natürlich nah genug,
dass der Duft von Fleisch – heute gebratenes Lamm –
über die Mauer steigt.
Damit er die Belagerten
angreift, die Hunger haben.
Abschied (2)
Sol und die anderen sind nach Sevilla aufgebrochen.
Kaum zu glauben, dass noch mehr Waffen gebraucht werden,
aber so lautet ihr Befehl.
Ich bin überrascht, wie ich mich fühle, als sie gehen.
Wann werde ich lernen, dass ich in dieser Welt allein bin?
Ich habe genug von diesem Halbschlaf
des Nichtstuns.
Ich muss einen Weg finden,
in das Innere der Mauern zu kommen.
In diesem Karneval hier
werde ich meine Onkel nicht finden!
Aber wie schaffe ich das –
außer ich verwandle mich in einen Pfeil?
Grenze
Noch immer kommen die Karren.
Berge über Berge von Waffen und Nahrungsmitteln.
Kein Wunder, sind die Steuern in Kastilien hoch!
Ich denke an das, was Sol sagte, als wir uns trafen.
Neuchristen werden, wenn sie auch nur einen Zeh
auf Abwege setzen, wegen ihres Geldes verbrannt, das gebraucht wird.
Ich fürchte um Papa, Mama und sogar Ramón.
Sie sind Conversos und haben zumindest eines getan,
was hart an der Grenze war.
Dieses Buch, das Papa hat, das vom Leben
seines Vorfahren erzählt. Ich habe ihm dabei geholfen.
Sein Urgroßvater hat einst an einem Talmud gearbeitet –
einem heiligen Buch der Juden.
Papa hat Zitate daraus
in sein eigenes Buch übernommen.
Nach dem Gesetz der Christen
ist das Ketzerei.
Würde es ausreichen,
um ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen?
Es ist eine solche Kleinigkeit.
Aber ich wette, es würde reichen.
Ich kann das Fleisch nicht essen,
das diese Christen servieren.
Der Geruch beim Braten erinnert mich
an das Fleisch derer, mit dem es erkauft wurde.
Gerüchte
Es gibt diesseits der Mauer noch andere Gefahren als
Hunger.
Nachdem die Männer drei Monate lang wie die Ameisen gelebt haben,
beginnen sie, krank zu werden. Gerüchte von Pocken und Seuchen kursieren,
aber niemand sagt, in welchem Zelt sie zu finden sind.
Männer, die unerträglich gelangweilt sind, brechen nachts Streit vom Zaun.
Sie veranstalten Hunderennen und Bärenhatzen.
Ein Bär kann sich aus seiner Pein befreien.
Er zerfleischt mehrere Männer.
Wie lange, brüllen die Männer, halten es denn diese Mauren noch aus?
Was essen sie bloß? Ihre Finger und Zehen?
Man munkelt im Lager von schwarzer Magie.
Die Malagueños haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen!
Sie können in diesem Leben auf Essen verzichten –
dafür verschlingt er nach ihrem Tod ihre Seelen.
Gebetsruf (2)
Eines weiß ich über die Malagueños:
Sie beten noch.
Die süße, leidvolle Stimme des Muezzin
ruft die Menschen fünfmal am Tag
zum Gebet.
Der Ton hallt geisterhaft über die Mauern.
Er lässt sich nicht drinnen halten.
Als ich ihn zum ersten Mal höre, weiß ich,
was es ist. Es klingt wie der Ruf
eines Geistes an seinen Geliebten.
Es klingt wie die Stimme von Allah selbst.
Für diese Augenblicke bin ich unterwegs.
Ich bin wieder ein Kind.
Ich bin jenseits der Mauern.
Die Ankunft der Königin
Gerade als die Langeweile zum gefährlichen Pulverfass wird,
erscheint Isabella wie eine leibhaftige Heilige.
Selbst mitkämpfende Soldaten aus fremden
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