Der schüchterne Junggeselle
deutlichen Duft von Orangenblüten mit sich. Und sowie die Vögel damit fertig waren, ihren Morgenwurm aufzupicken, hatten sie nichts anderes zu tun, als in den Bäumen zu stehen und Mendelssohns Hochzeitsmarsch zu singen. Es war so ein Tag, an dem männiglich die Brust dehnt und »Trala!« sagt; was George denn auch tat.
Ein köstlicher Gedanke (meinte er, als er nach dem Lunch seinen Gasthof verließ), daß in wenigen Stunden er und Molly von einem Zauberzug davongetragen werden sollten, daß jede Umdrehung der Räder sie den Inseln der Seligen näher bringen und – was fast noch erfreulicher war – weiter von Mrs. Waddington entfernen würde.
Es wäre müßig zu leugnen, daß George Finch in den letzten drei Wochen dahingekommen war, in seiner künftigen Schwiegermutter so etwas wie eine Gottesstrafe zu sehen. George war nicht eitel, und wenn Mollys Stiefmutter sich damit begnügt hätte, ihn ganz einfach anzusehen, als hielte sie ihn für etwas, das die Katze aus dem Mülleimer geholt hat, so hätte er sich damit abfinden können. Doch Mrs. Waddington ging weiter. Nach ihrem Benehmen zu schließen, war sie der Überzeugung, daß die Katze schwer enttäuscht gewesen sei, ihn mit einem kummervollen Blick betrachtet und dann ihre Forschungen wiederaufgenommen habe.
Doch schließlich war diese kleine Unannehmlichkeit nur eine Lappalie. Er betrat, vergnügt vor sich hinsummend, das Grundstück, und als er zum Eingang weitergehen wollte, stieß er auf Hamilton Beamish, der nachdenksam eine Zigarette rauchte.
»Hallo«, sagte George. »Du bist also gekommen?«
»Sehr richtig.«
»Wie, findest du, sieht Molly aus?«
»Entzückend. Aber ich habe sie nur einen Moment gesehen, weil sie rasch fort mußte.«
»Fort mußte?«
»Ja. Es hat ein kleines Malheur gegeben. Weißt du nichts davon?«
»Mein Gott! Was denn?« rief George, den Arm seines Freundes packend.
»Autsch!« sagte Hamilton Beamish, seinen Arm befreiend und reibend. »Du brauchst dich gar nicht aufzuregen. Es ist nichts weiter geschehen, als daß der Geistliche, der dich hätte trauen sollen, einen kleinen Unfall gehabt hat. Seine Frau rief vor kurzem an und teilte mit, daß er, während er auf einem Stuhl stand, um ein Erbauungsbuch vom obersten Regal herunterzuholen, gestürzt ist und sich den Fuß verstaucht hat.«
»Der arme Kerl!« sagte George mitleidig. »Wozu macht er aber auch um diese Zeit so etwas? Man kann doch ruhig von einem Mann verlangen, daß er sich rechtzeitig entscheidet, ob er Geistlicher oder Akrobat werden will, und dann auch dabei bleibt. Das ist eine schreckliche Nachricht, Hamilton. Ich muß mich sofort auf die Strümpfe machen und Ersatz suchen. Du lieber Himmel! Eine Stunde vor der Hochzeit, und kein Geistlicher!«
»Beruhige dich, George. Die notwendigen Schritte sind bereits unternommen. Ich glaube, Mrs. Waddington wäre es bloß ein Vergnügen gewesen, die ganze Sache fallenzulassen, aber Molly wurde sofort sehr rührig. Sie telefonierte nach allen Richtungen, und schließlich gelang es ihr, einen freien Geistlichen in der Nähe von Flushing zu finden. Sie ist mit Mrs. Waddington im Wagen hingefahren, um ihn abzuholen. In eineinhalb Stunden werden sie da sein.«
»Du willst mir doch nicht sagen«, fragte George erbleichend, »daß ich Molly eineinhalb Stunden nicht sehen werde?«
»Sei tapfer«, sagte Hamilton Beamish. »Ich weiß genau, wie dir zumute ist. Auch ich leide unter der Qual, von der einzigen Frau auf Gottes Erdboden getrennt zu sein.«
»Es ist einfach ekelhaft! Der Mann ist Geistlicher und kann nicht einmal auf einem Stuhl stehen, ohne hinunterzufallen!« Plötzlich schoß ihm ein grausiger Gedanke durch den Kopf. »Hamilton! Was bedeutet es, wenn der Geistliche am Hochzeitsmorgen vom Stuhl fällt und sich den Fuß verstaucht?«
»Ich verstehe deine Frage nicht.«
»Ich meine, bedeutet das Unglück?«
»Für den Geistlichen ohne Zweifel.«
»Du meinst nicht, daß es bedeutet, mit der Hochzeit wird etwas schiefgehen?«
»Von einem derartigen Aberglauben habe ich nie in meinem Leben etwas gehört. George, du mußt dich bemühen, deine Phantasie zu zügeln. Du darfst dir nicht nachgeben und deine Nerven überreizen lassen.«
»Ja, was willst du denn von den Nerven eines Menschen, wenn an seinem Hochzeitsmorgen überall, wohin er schaut, Geistliche von Stühlen fallen?«
Hamilton lächelte nachsichtig.
»Nervosität ist bei einer derartigen Gelegenheit wohl etwas Unvermeidliches. Mir ist
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