Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
Vom Netzwerk:
nicht möchtest, dann sollst du wissen, dass ich das respektiere. Ich weiß, du bist erst ein kleiner Junge, aber du weißt schon, was es heißt, jemanden zu verlieren. Du weißt mehr als die meisten Leute, da bin ich sicher. Ich weiß, du vermisst deine Mum. Verlust gehört zum Leben, aber er ist nicht immer leicht zu ertragen. Du musst einfach wissen, dass … wenn immer du deine Mum am meisten vermisst oder du dich am traurigsten fühlst, dann wisse, dass ich diesen Schmerz kenne. Wenn wir Menschen verlieren, die uns lieb und teuer sind, dann wird es manchmal dunkel auf der Erde. Es ist, als wäre dieser Mensch, den man geliebt hat, ein kleines Licht gewesen, und jetzt, wo er weg ist, ist es dunkel. Vergiss nicht, dass wir alle dieses Licht, dieses Gute in uns haben, und nur weil wir traurig sind, heißt das nicht, dass wir nicht glücklich machen können, und glücklich machen heißt glücklich sein …«
    Sie holte so tief Luft, dass sich ihre Brüste hoben und senkten.
    »Auf jeden Fall ist es das, was ich nach Normans und Delias Tod gelernt habe, aber ich kann immer noch nicht über sie reden. Ich hoffe, du verstehst das, Liebling, und weißt, dass es nicht gegen dich gerichtet ist, es ist einfach die Art, wie ich mich fühle.«
    Norman und Delia. Daniel wiederholte sich die Namen stumm. Und plötzlich, wie das Huhn, das er getötet hatte, erstanden ihrer beider Leben real und kostbar vor ihm. Delia war blass wie der Porzellanschmetterling, Norman dunkel wie der Schürhaken, der, wie es hieß, sein Leben beendet hatte.
    Daniel nickte Minnie zu und begann, die Eier erneut aufzuschichten.
    »War er gemein zu dir?«, fragte Daniel. Ihm lief die Nase, und seine Zungenspitze spürte den Rotz, salzig und klar. Er bog die Zunge zur Oberlippe hoch, aber Minnie schnappte ihn sich und wischte ihm die Nase grob mit einem benutzten Papiertaschentuch, das sie in ihrem Strickjackenärmel stecken hatte.
    »Norman, meinst du?«
    »Ja.«
    »Guter Gott, nein. Er war der beste Mann auf der Welt. Ein richtiger Gentleman. Er war die Liebe meines Lebens.«
    Daniel zog die Stirn kraus und wischte sich die Nase erneut mit dem Ärmel.
    »Genug jetzt. Über die Vergangenheit reden hilft niemandem irgendwie weiter.«
    Am Ende des Tages half Daniel Minnie, die wenigen Waren, die übrig geblieben waren, die Schilder und den Becher mit den Einnahmen in den Wagen zu laden. Er saß bereits vorn, als sie sich schnaufend auf den Fahrersitz hievte und den Wagen anließ. Sie atmete schwer, und ihr in die Strickjacke gehüllter Busen drückte gegen das Steuerrad. Der Wagen sprang beim dritten Versuch an, und Daniel begann, am Radio herumzuspielen, bis er einen Song fand. Das Signal war schwach und schwand immer wieder.
    »Leg deinen Sicherheitsgurt an«, sagte Minnie.
    »Okay«, sagte Daniel. »Kannst du die Antenne wieder so hinbiegen wie letztes Mal, damit wir auf dem Rückweg Radio hören können?«
    Er liebte es, mit Minnie in dem Auto zu sitzen, aber er war sich nicht sicher, warum. Sie fuhr nervös und ruckartig, und der Wagen schien älter zu sein als sie. Aufregend war es, wenn sie das Steuerrad fester umklammerte und schnell zu fahren wagte. Da war vage Gefahr im Spiel. Sie stieg aus und bog die Antenne zurecht, die einst ein Drahtkleiderbügel gewesen war. Daniel gab ihr mit in die Höhe gerecktem Daumen ein Zeichen, als das Signal klar und deutlich war.
    Sie machten sich auf die Fahrt durch den Ort. Der Auspuff hatte ein Loch, und Daniel sah, dass Fußgänger ihren knatternden Wagen anstarrten, wenn er an ihnen vorbeifuhr. In Gedanken an die Provision, die er bekommen würde, wenn sie am Abend das Geld zählten, begann er, den Song mitzusingen, der im Radio lief. Es war die Gruppe Frankie Goes to Hollywood. Daniel beugte sich nach vorn, um mit den Zeigefingern den Rhythmus auf das Handschuhfach zu klopfen.
    Minnie sah ihn an und riss plötzlich das Steuer herum. »Was machst du denn? Was machst … Was habe ich dir gesagt?«, schrie sie, und Daniel fuhr auf seinem Sitz erschrocken zurück.
    Sie fuhr gerade an parkenden Autos vorbei durch die Main Street auf die Carlisle Road zu. Wieder riss sie das Steuer herum, als ein Lieferwagen von Bertie’s Fish and Chips ausscherte und sie durch lautes Hupen warnte. Durch das Geräusch zuckte Minnie zusammen, und der Wagen schlingerte nahe der Einmündung zur Langtown Road auf die andere Straßenseite hinüber. Daniel legte eine Hand auf das Armaturenbrett, als Minnie das Steuerrad scharf

Weitere Kostenlose Bücher