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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Ballantyne
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ihrer linken Hand drehte. So allmählich mochte er ihre Hände, ihre rote Rauheit. Er fühlte sie gern an seiner Wange und in seinem Haar, als könnten nur Hände, die so rau wie ihre waren, ihm jetzt Trost spenden.
    Nun beobachtete er sie, sein Kinn auf den Knien. Sie saß reglos da, von ihm abgewandt, und betrachtete irgendein unsichtbares Fantasiegebilde in der Luft. Er sah, wie sich ihre Brust hob und senkte und die sinkende Sonne in ihrem grauen Haar leuchtete, sodass es durch den Reflex all des Lichts fast weiß erschien.
    »Ich möchte einfach bei dir bleiben«, sagte er schließlich.
    »Oh, Danny«, sagte sie, den Rücken noch immer ihm zugewandt, »ich bin froh, dass du dich hier eingelebt hast; das wünschte ich mir für dich. Aber dies ist eine echte Chance für dich. Dies ist eine Familie ; stell dir doch mal vor, wie es wäre, wenn du zwei erfahrene, kompetente Eltern ganz für dich hättest. Besser als diese dreckige alte Farm mit niemandem als mir Alten zum Reden – ich sag dir das ganz offen.«
    »Ich liebe die Farm …«
    »Es sind Leute, die viel im Freien zubringen, verstehst du? Kompetente, kluge Leute.«
    »Na, und wenn schon.«
    Minnie drehte sich zu ihm um. Sie klopfte neben sich auf das Bett. »Komm her.«
    Daniel entknäulte sich und setzte sich neben sie. Sie stupste ihn mit der Schulter und sagte: »Willst du mir erzählen, du hast Angst vor einem Wochenende auswärts bei netten neuen Leuten? Niemand schickt dich irgendwohin. Dies ist eine Chance, die man dir gibt.«
    »Also kann ich wiederkommen, wenn sie mir nicht gefallen?«
    »Natürlich, aber wer sagt denn, dass du ihnen gefällst? Mürrischer kleiner Scheißer, der du bist!«
    Da lächelte Daniel, und Minnie stupste ihn noch mal. Er kuschelte sich in ihre Masse, klemmte seine Arme zwischen ihre Hüften und den Busen und schmiegte sein Gesicht in die weiche Fülle ihres Oberarms.
    Am Samstagmorgen stand Daniel in seinem Zimmer, die Ellbogen auf das Fensterbrett gestemmt, und wartete auf das Auto. Er sah Minnies Vorgarten mit den Gemüsebeeten und Himbeersträuchern. Die knorrige Hand der Eberesche auf der anderen Seite reckte sich mit verzweifelter Kraft aus der Erde, übersät mit den blutroten Beeren. Die Eltern, die ihn kennenlernen wollten, hießen Jim und Val Thornton. Noch hatten sie sich nicht verspätet, aber Daniel wartete nun schon seit einer Stunde. Da kein Auto in Sicht war, starrte er die Eberesche an, die ihm im Wind zuwinkte. Er erinnerte sich, dass er auf den Baum gestiegen und die Beeren gepflückt und dass Minnie ihm gesagt hatte, sie seien giftig. Sie hatte gesagt, der Baum stünde da, um die Hexen fernzuhalten, wie konnte sie da eine Hexe sein? Daniel sah zu, wie die Spatzen und Elstern die Beeren von den Zweigen plünderten. Er fragte sich, wie kleine Vögel es überleben können, wenn sie die Beeren essen, während sie Menschen töten könnten, wie Minnie sagte.
    Daniel dachte gerade darüber nach, als ein großer schwarzer Wagen vor der Farm hielt. Er versteckte sich hinter der Gardine, starrte aber weiter den großen Mann mit blonden Haaren an, der aus dem Wagen stieg, und dann die Frau, die ihr Haar hochgekämmt hatte und ein grellbuntes Kopftuch trug. Als sie aus Daniels Blick entschwanden, verließ er das Zimmer und setzte sich ans obere Ende der Treppe. Seine Tasche stand gepackt am Fuß der Treppe, aber Minnie hatte gesagt, sie wolle mit ihnen zuerst noch ein paar Worte wechseln.
    Die Haustür stand offen, weil Minnie ihnen nach draußen entgegengegangen war. Ihre Nettigkeiten wehten herein wie Frühherbstlaub. Blitz stand halb drinnen, halb draußen, und alles, was Daniel von ihm sehen konnte, war sein wedelnder Schwanz. Ihm tat der Bauch weh vor Nervosität, und er beugte sich vor auf seine Knie, um die innere Anspannung zu mildern. Er versteckte sich, als Minnie die Leute in das Wohnzimmer führte.
    Er erwartete, gerufen zu werden, aber Blitz kam ihn als Erster abholen und keuchte ihm am oberen Ende der Treppe ins Gesicht. Daniel massierte die schwarz-weiße Mähne des Hundes, und Blitz senkte den Kopf, um es zu gestatten. Dann kam der Ruf.
    »Danny? Möchtest du herunterkommen, Schatz?«
    Auf Minnies Stimme hin eilte Blitz die Treppe hinunter. Daniel wartete einen Moment und holte tief Luft, bevor er sich nach unten aufmachte. Er war in Strümpfen und trat so auf, dass die Dielenbretter nicht knarrten. Minnie stand mit einem seltsamen Lächeln auf dem Gesicht am Fuß der Treppe. So hatte er sie noch

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