Der Schuldige: Roman (German Edition)
übergewechselt.
Als Daniel und Veronica ankamen, waren die teppichbelegte Treppe und die Korridore gedrängt voll mit rotwangigen, lachenden Leuten, die Türen zu Zimmern blockierten, aus denen lautes Gelächter drang. Die Luft war süß und warm und wohlriechend. Es lief keine Musik, aber das Durcheinander der Unterhaltungen machte es schwer, sich zu verständigen.
Daniel musste sich dicht zu Veronica vorbeugen. »Ich hol uns was zu trinken«, sagte er, als sie von einem der Crown-Court-Richter auf beide Wangen geküsst wurde.
Er zog sein Jackett aus und steckte die Krawatte in die Tasche, während er auf die zwei Gläser Champagner wartete, die er dann zwischen zwei Finger der einen Hand klemmte, als er sich den Weg zurück bahnte. Er erspähte Irene auf halber Treppe, wo sie mit einem anderen jungen Kronanwalt sprach.
Daniel langte durch drei Richter hindurch, um Veronica ihr Glas zu geben, dann machte er sich langsam zu der Treppe auf. Er lenkte Irenes Aufmerksamkeit auf sich, und sie drehte sich von dem Mann weg, mit dem sie sprach, und winkte.
»Schön, dass du’s geschafft hast, Danny«, sagte sie und beugte sich herunter, um ihn auf die Wange zu küssen.
Sie blieb eine Stufe über ihm stehen. Es war ihm merkwürdig, Auge in Auge vor ihr zu stehen. Sie war noch immer wie fürs Gericht mit einem knielangen engen Rock und einer weißen Bluse bekleidet.
»Kennen Sie Danny? Harvey, Hunter and Steele?«, sagte Irene zu dem Kronanwalt, mit dem sie gesprochen hatte.
»O ja, natürlich, Daniel Hunter, nicht wahr?« Der Anwalt schüttelte Daniel die Hand, dann entschuldigte er sich, um sich einen Drink zu holen.
»Wie hält sich Sebastian in der Anstalt?«, fragte Irene.
Daniel lächelte über den Glanz auf ihrer Haut und die leichte Röte auf ihrem nackten Schlüsselbein.
»Er wird’s überleben. Hör zu, hast du einen Augenblick Zeit? Mir ist etwas zugeschickt worden. Wir müssen darüber reden, was wir damit machen …«
»Ich bin gespannt«, sagte Irene, nahm Daniel beim Ellenbogen und manövrierte ihn vorsichtig die Treppe hinauf. »Lass uns in mein Zimmer gehen. Keine Sorge – da drin gibt’s noch mehr Wein.«
Das Zimmer war, wie die übrige Kanzlei, luxuriös und gediegen eingerichtet, sodass selbst der Tapete und dem Teppich beruhigende Vertraulichkeit zu entströmen schienen. Das Licht von Straßenlaternen ergoss sich durch die Schiebefenster in den Raum, und Irene schaltete eine Tischlampe an. Stimmen drangen vom Korridor herein, und Daniel schloss leise die Tür.
»Möchtest du weiter Schampus oder lieber Wein?«, fragte sie und öffnete einen antiken Schrank am Fenster.
»Was dir lieber ist«, sagte er, trank seinen Champagner aus und genoss dessen herbes Prickeln auf der Zunge.
»Na, nehmen wir den«, sagte sie. Der Korken zischte und die Flasche rauchte. Irene füllte Daniels und ihr Glas und stellte den Champagner auf ihren Schreibtisch. »Was ist mit den Bändern? Hast du welche gefunden? Irgendein Zeichen unseres rätselhaften Angreifers?«
»Nichts«, sagte Daniel und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
»Prost … auf besseres Glück dieses Mal«, sagte Irene und reichte ihm ein Glas.
Sie stießen an, und Irene setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischs. Daniel warf sein Jackett über einen Stuhl, nachdem er den Bericht herausgenommen hatte, den er ihr zeigen wollte. Gelächter ertönte vor der Tür, als eine männliche Stimme ertönte: »Revision, Euer Ehren!«
Daniel faltete den Bericht auseinander und reichte ihn Irene. »Das ist … ein Bericht der Sozialdienste – eine eigens einberufene Fallkonferenz zur Untersuchung von Sebastians Leben zu Hause aufgrund der Anklage und der Medienberichte«, sagte Daniel.
»Wo um alles auf der Welt hast du den denn her?«
Daniel schüttelte den Kopf. »Er wurde anonym in meinem Büro abgegeben, mit meinem Namen und vertraulich darauf. Ich habe ihn heute Morgen bekommen.«
»Wer immer das getan hat, könnte gehängt werden«, sagte sie, nahm den Bericht und überflog ihn. »Was meinst du, wer das war?«
»Ich würde denken, jemand, der mit der Konferenz zu tun hatte und den Fall verfolgt hat. Lies ihn einfach.«
Er trank einen großen Schluck Champagner, während Irene laut vorlas: » Grund für die Fallkonferenz: angebliches Kapitalverbrechen, begangen von Sebastian, Eltern sind von der Konferenz ausgeschlossen.« Irene sah ihn an.
Daniel setzte sich neben Irene auf die Schreibtischkante und beugte sich über ihre
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