Der Schuss nebenan Kommissar Morry
Zimmer war es ganz still. Man hörte nur das Ticken einer Uhr. Es wurde allmählich dunkel; draußen flammten die ersten Leuchtreklamen auf.
„Die Polizei darf nichts davon erfahren", sagte Mrs. Rodrigez schließlich.
„Was hat das mit der Polizei zu tun?" fragte Janet verständnislos.
„Bist du wirklich so naiv, das nicht zu begreifen? Die Polizei sucht krampfhaft nach einem Tatmotiv. Hier bietet sich ihr eines an!"
„Aber, Madame", sagte Hoogan protestierend.
„Vater steht Glück im Wege und wird von Liebhaber der Tochter erschossen!" sagte Mrs. Rodrigez.
„Mama, das ist geschmacklos!"
„Kommen wir zu dir, mein Täubchen", sagte Mrs. Rodrigez. „Wie stehst du zu Charles. Liebst du ihn, oder liebst du ihn nicht?"
„Ich weiß es nicht."
„Du weißt es nicht?" wiederholte Mrs. Rodrigez verwundert. „Ist das dein Ernst? Bist du überhaupt eine richtige Frau? Als ich deinen Vater kennenlernte, fühlte ich sofort, das ist der Richtige! Den oder keinen ..."
„Was hat dir diese Ehe eingebracht?" fragte Janet, die zum Fenster hinaus blickte. „Kummer und Enttäuschungen, und schließlich ein bitteres Ende. Charles ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Papa. Er kennt keine Rücksichten, wenn es darum geht, zum Erfolg zu kommen. Ich bezweifle nicht, daß er Karriere machen wird. Genau davor habe ich Angst. Die Art seiner Karriere wird mir nicht Zusagen. Ich möchte nicht, wie du, eines Tages früh zur Witwe werden."
„Jetzt bist du geschmacklos!" verwahrte sich Mrs. Rodrigez gegen die Worte.
„Ich liebe dich, Janet", sagte Hoogan. „Wenn du bereit wärest, mich zu heiraten, würde ich nie etwas tun, womit du nicht einverstanden bist."
„Es ist leicht, jetzt so etwas zu sagen", meinte Janet.
„Langsam, langsam. Ich glaube, ich habe da auch noch ein Wörtchen mitzureden", erklärte Mrs. Rodrigez. „Lassen wir eure Zukunftspläne einmal beiseite. Sprechen wir von dem Streit zwischen Papa und Ihnen, Charles."
„Ja, Madame?"
„Knips das Licht an, Janet. Ich möchte in Charles Augen sehen, wenn ich eine Frage an ihn richte."
Janet ging zu dem Schalter und drückte auf den Knopf. Im nächsten Moment lag der Raum im hellen Licht. „Blicken Sie mich an, Charles. Haben Sie Arturo getötet?" fragte Mrs. Rodrigez.
„Aber Madame, ich versichere Sie..."
„Ja oder nein?"
„Nein!"
Mrs. Rodrigez Gesichtszüge drückten Zweifel aus. „Er war für Sie das Haupthindernis. Sie sind ein Mann, der den Erfolg sucht, um jeden Preis. Insofern beurteilt Janet Sie richtig. Es wäre zu begreifen, wenn Sie es getan hätte."
„Was bin ich ohne Mr. Rodrigez?" verteidigte sich Hoogan. „Er hat mich geformt. Er war mein Arbeitgeber. Ich verdiente gut bei ihm... mehr, als mir irgendein anderer zahlen würde. Ich teilte mit ihm gewisse Geheimnisse; meine Arbeit war aufregend, interessant. Weshalb hätte ich Mr. Rodrigez töten sollen? Vielleicht wäre er eines Tages zugänglicher gewesen; ich konnte einem Vater doch nicht verübeln, mit seiner Tochter große Pläne zu haben."
„Er hat Sie geschlagen. Das muß gebrannt haben wie Feuer, und nicht nur im Gesicht!" erklärte Mrs Rodrigez.
Hoogan nickte. „So ist es. Eine Sekunde lang sah ich rot. Beinahe hätte ich den Arm gehoben, um zurück zu schlagen. Aber ich hatte meine Gefühle sofort wieder unter Kontrolle. Ich sah ein, daß ich kein Recht hatte, aufzubegehren. Ich hatte einfach einen Fehler gemacht."
„Lassen Sie uns jetzt allein, Charles", bat Mrs. Rodrigez.
Er erhob sich unsicher. „Aber..."
„Wir sprechen an einem anderen Tag darüber. Jetzt ist, glaube ich, dafür nicht der richtige Zeitpunkt."
„Wie Sie wünschen, gnädige Frau." Er warf noch einen Blick auf Janet, die ihm den Rücken zukehrte, und verließ dann das Zimmer.
Mrs. Rodrigez schwieg und Janet setzte sich.
„Vielleicht hätte ich schon früher ein paar Worte dazu sagen sollen", begann Janet leise.
„Vielleicht!" spöttelte Mrs. Rodrigez. „So ist's richtig! Du hast die Stirn, deinen Vater zu kritisieren, während du hinter seinem Rücken mit seinem Sekretär flirtest!"
„So war es doch gar nicht!"
„Natürlich war es so!" begehrte Mrs. Rodrigez ärgerlich auf. „Willst du mir ein X für ein U vormachen? Hat Papa dich daraufhin angesprochen?"
Janet nickte.
„Los, sprich schon! Was sagte er?"
„Es gab einen ziemlichen Krach. Es war das erste Mal, daß er mich anschrie."
„Und du, was hast du getan?"
„Ich habe mir nichts bieten lassen. Ich habe
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