Der Schuss nebenan Kommissar Morry
zurückgeschrien."
„Gibt es Leute, die den Streit hörten?"
„Nein, ich glaube nicht."
„Bist du sicher?"
„Warum fragst du?"
„Na, warum denn wohl? Weil ich nicht möchte, daß meine Tochter verdächtigt wird, mit ihrem Vater in Zwist gelebt und ihn deshalb getötet zu haben."
„Mama!"
„Du mußt dich mit den Realitäten abfinden. Im Augenblick ist es so, daß die Polizei fast jeden von uns verdächtigen kann. Hoogan, weil Arturo ihm die Hand seiner Tochter verweigerte, dich, weil du mit Papa deshalb hart aneinander gerietest, und mich, weil man annehmen dürfte, daß ich aus Eifersucht gegen Mabel Reley handelte!"
*
Als Lord Bramsey das Lokal in der 33ten Straße betrat, schlug ihm ein warmer, mit Rauch vermengter Alkoholdunst entgegen. Er blieb einen Moment an der Tür stehen, um sich in dem dämmrigen Raum umzublicken. An einem der hintersten Tische erkannte er Mr. Miller. Bramsey ging auf ihn zu und nahm an dem Tisch Platz, nachdem er seinen Hut auf einen Garderobenhaken gehängt hatte.
Mr. Miller grinste. Er sah nicht mehr so verschlossen aus wie im Hotel. „Ist Ihnen jemand gefolgt?" fragte er.
„Ich habe niemand bemerkt."
„Haben Sie darauf geachtet?"
„Es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, über die Schulter zu blicken."
„Ein Fehler", meinte Mr. Miller. „Den sollten Sie sich abgewöhnen!"
„Hören Sie, Mr. Miller, es wäre mir lieb, wenn wir zur Sache kommen könnten. Was wünschen Sie von mir?"
„Einen Auftrag."
„Was denn, Sie wünschen mir etwas zu verkaufen?" fragte Lord Bramsey indigniert.
„So ungefähr."
Lord Bramsey wollte sich erheben, aber Miller hielt ihn am Ärmel fest. „Nur zwei Minuten, bitte, dann können Sie selbst entscheiden!"
Bramsey nahm wieder Platz. „Ich bleibe, weil ich Durst habe", knurrte er und winkte den Ober herbei. „Einen Whisky, bitte, aber gehen Sie mit dem Soda sparsam um; Wasser kann so leicht das Aroma verderben. Und verschonen Sie mich mit Bourbon, bitte..."
„Sehr wohl, Sir." Der Ober ging davon.
Vor Miller stand ein Bierglas. Miller fuhr mit dem Zeigefinger der rechten Hand wie liebkosend über das feuchte Glas. „Ich bin nämlich Privatdetektiv", sagte er.
„Und?"
„Ich lebe davon, daß ich Informationen verwerte", meinte Miller. „Ich war lange Zeit bei der Polizei, wissen Sie; dort habe ich noch ein paar gute Kumpel sitzen, die mich gelegentlich mit brauchbaren Tips versorgen. Diese Tips dienen mir dann zu Anbahnung eines Kontaktes."
„Ich verstehe", sagte Lord Bramsey ergeben. „Sie haben also von der Polizei gehört, daß man hinter mir her ist und wünschen mir zu helfen. Stimmt's?"
„Sie sind ein fixer Denker."
„Das war ich schon in der Schule, besonders wenn ich mir irgendwelche Tricks einfallen lassen mußte, um die Lehrer hinters Licht zu führen. Welche Art von Hilfe wollen Sie mir denn angedeihen lassen?"
„Das hängt davon ab, wie sich die Dinge entwickeln. Fest steht, daß es für Sie Schwierigkeiten geben wird — große Schwierigkeiten sogar, Sie sind fremd in diesem Land. Sie sind, soviel ich weiß, allein. Es wäre für Sie gut und nützlich, einen erfahrenen Mann zu haben, der Ihre Interessen vertritt."
„Wieviel verlangen Sie?"
„Hundert pro Tag... eventuelle Reisespesen extra."
„Man kann nicht sagen, daß Sie billig sind."
„Ich muß ein ganzes Büro unterhalten."
„Das ist Ihr, und nicht mein Problem, Miller!"
„Stimmt. Es geht auch nicht um das Büro. Es geht ganz einfach darum, daß ich zur Sonderklasse gehöre... und die kostet nun mal Geld!"
„Was mich an euch Amerikanern immer wieder in Entzücken versetzt, ist diese rührende Bescheidenheit!"
Miller grinste matt. „Ich kenne meinen Wert. Er beträgt hundert Dollar pro Tag. Sie bekommen einen Privatdetektiv schon für weniger als die Hälfte. Aber der ist dann danach." Er zog eine Karte aus der Tasche und legte sie vor Bramsey auf den Tisch. „Hier, falls Sie auf mein Angebot zurückzukommen wünschen."
Bramsey betrachtete die Karte. „Wofür halten Sie mich eigentlich?"
„Für einen Mann, der Hilfe braucht!"
Der Lord legte die Karte beiseite. „Sie wissen, was man mir vorwirft." Er lächelte undurchdringlich. „Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erkläre, die Morde tatsächlich begangen zu haben?"
„Der Whisky, bitte", sagte der Ober und stellte das Glas vor Bramsey auf den Tisch.
Miller wartete, bis der Ober gegangen war. „Ich würde es für mich behalten, und mein Angebot
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