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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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eine aufrecht stehende Schlange tänzelte die blaue Säule bis zum Bein der Pritsche – und wand sich daran hoch. Dann huschte sie über Hilarius’ rechten Arm bis auf seine Brust. Der Gesang war zu einem Schreien geworden. Federlin lehnte noch immer gelangweilt an der Wand, als hätte er so etwas schon tausendmal gesehen. Der Pater hörte, wie die Flamme ein leises Knistern und Zischen aussprühte. Dann zuckte sie auf seinem Oberkörper abwärts. Sie verschwand unter seiner hochgeschobenen Kutte, die jedoch den zweiten Kopf noch verbarg. Hilarius wusste genau, dass er das Ziel der Flamme war.
     
    Und er konnte sich nicht dagegen wehren.
     
    Er spürte, wie die Flamme in den Mund und die Nase des Zwillings eindrang. Und dann spürte er zum ersten Mal, wie sich der Kopf regte. Und er sah und spürte zum ersten Mal die Gedanken, die dieser Kopf hegte.
     
    Hilarius stieß einen Schrei aus, der die Grundfesten der Erde zu erschüttern schien. Dann wurde er hineingesogen in den unvorstellbaren Albtraum seiner neuen Gedanken.
     
        
     

23. Kapitel
     
    Die Blumen in dem Kristallboden öffneten ihre Kelche und tranken den Samen, den Martin verspritzt hatte. Maria sah, wie sie wuchsen und den Boden sprengten. Er bekam Risse; dann wurde er milchig, schmutzig, und schließlich sah sie den blanken, festen Stein. Ungläubig trat sie mit dem Fuß hart auf. Es war tatsächlich Stein. Sie kniete sich neben den ohnmächtig gewordenen Mönch und strich ihm mit der Hand sanft über den stoppeligen Kopf.
     
    Martin ächzte und regte sich. Dann schlug er die Augen auf. »Wo … wo bin ich?«, fragte er ängstlich.
     
    »In der kleinen Hütte, in die du und Hilarius fliehen solltet. Das heißt, genau genommen bist du unter dieser Hütte. Wo ist Hilarius?«
     
    Martin berichtete Maria alles, was in der Burg und bei der anschließenden Flucht geschehen war. »Wie ich hergekommen bin, weiß ich nicht«, sagte er schließlich. »Ich weiß nur, dass Federlin ein Verräter ist. Er hat es so eingerichtet, dass ich dieser teuflischen Frau in die Hände falle, damit ich seine Pläne nicht durchkreuzen kann. Und ich habe mich von alledem blenden lassen! Ich wähnte mich im Himmel und war in der Hölle. Aber wie bist du eigentlich hergekommen?«
     
    »Ich bin freiwillig mit ihr gegangen, als ich hörte, dass du hier bist«, sagte Maria leise und schlug die Augen nieder. »Von außen sah es wie eine Hütte aus – wie die Hütte, bei der ich auf dich gewartet habe –, doch innen war es ein Palast. Die Dienerinnen dieser wunderschönen Frau hatten mich in eine wundersame Kammer gebracht, aber ich bin ihnen entwischt. Als ich zu dem Raum kam, in dem du … in dem ihr …, da haben sie nur gelacht und nichts dagegen unternommen, dass ich eintrat. Sie haben wohl nicht damit gerechnet, dass ich euch auseinandertreiben werde.«
     
    »Wo ist sie?«, fragte Martin.
     
    »Fort. Und mit ihr ist all die Pracht vergangen.«
     
    Martin stand auf.
     
    Sie befanden sich in einem niedrigen Raum, der aus dem Fels herausgehauen zu sein schien. An der Wand blakte eine Pechfackel. Es gab nur eine roh gezimmerte Holztür, doch natürlich war sie verschlossen. Martin rüttelte an ihr; leider war sie widerstandsfähiger, als sie auf den ersten Blick wirkte.
     
    »Was sind das für Wesen, die uns hier gefangen halten?«, fragte Maria leise.
     
    »Zuerst habe ich geglaubt, dass es Engel sind. Aber es sind Succubi«, antwortete Martin grimmig. »Ich habe von Pater Hilarius viel über sie gehört. Es sind Dämonen, die in weiblicher Gestalt zu den Männern kommen. Aber sie sind nicht wirklich und von Natur aus weiblich; sie können sich auch zum Mann umformen und dann ebenso gut den Frauen beiwohnen.«
     
    »Das kann ich nicht glauben«, sagte Maria und schüttelte den Kopf.
     
    »Wie willst du das Ganze denn sonst erklären?«, fragte Martin vorwurfsvoll. »Es sind Gaukelwesen. Sie gaukeln uns ihre Gestalt und ihr Geschlecht vor, und genauso gaukeln sie uns auch unsere Umgebung vor. Der Teufel hat sie geschickt, um uns zu verderben.«
     
    »Was ihm wenigstens bei dir ja auch beinahe gelungen wäre«, sagte Maria nicht ohne Unmut.
     
    Martin schaute betreten zu Boden.
     
    Wie hat er nur so etwas tun können?,
dachte Maria verärgert. Er war schwach – wie alle Männer. Und dabei hatte sie gehofft, dass er anders wäre, stärker, aufrichtiger. Nach der Begegnung mit diesem Zauberer in Burgebrach hatte er in der Tat erwachsener gewirkt,

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