Der schwarze Atem Gottes
in Ohnmacht.
Er lag in seinem Bettchen. Er war angebunden. Ein Priester stand vor ihm, hielt ein Kreuz in die Höhe und besprengte ihn mit Weihwasser. Dann begann der Exorzismus.
Er saß bei Tisch und erhielt wie immer nur eine kleine Ration. »Für den Teufel nur das Schlechteste«, raunte ihm Schwester Amabilis zu. Es war wie immer. Wenn er weinte, bekreuzigten sich die Nonnen.
Im Alter von sieben Jahren brachten sie ihn nach Greilsheim. Die Mönche wussten Bescheid, aber niemand wagte je, Hilarius’ Missbildung zu betrachten.
Sie ließen ihn in Ruhe.
Er wurde beobachtet, doch falls er überhaupt auffiel, dann nur wegen seines dicken Bauches und seiner verzweifelten Gläubigkeit. Als er die Profess abgelegt hatte, wechselte er ins Kloster Eberberg. Dort wusste niemand von seiner Missbildung; die Mönche aus Greilsheim hatten geschwiegen, weil sie Hilarius endlich loswerden wollten und befürchtet hatten, die Eberberger Brüder könnten sich weigern, ihn aufzunehmen, wenn sie um seine entsetzliche Anomalie wussten.
»Du weißt es«, sagte Federlin, als hätte er zusammen mit Hilarius in dessen Vergangenheit geschaut.
Der Pater ließ die Schultern hängen. Er seufzte schwer. »Dass ich ein Waisenkind war, bedeutet nicht, dass ich von jüdischen Eltern abstamme. Wie gesagt, ich bin nicht beschnitten.«
»Deine Mutter Rivka starb im Kindbett; es ist ein Wunder, dass du die Geburt überlebt hast. Dein Vater Schimon Moscheles war so verzweifelt, dass er dich im Alter von nur drei Tagen an die Pforte des Klosters gelegt hat. Es war ihm egal, ob du lebst oder stirbst. Danach hat er sich erhängt. Er konnte nicht ohne seine über alles geliebte Frau leben. Daher kommt es, dass du nicht offiziell in die jüdische Gemeinde aufgenommen und beschnitten wurdest, denn wie dir vielleicht bekannt ist, werden die Knaben erst am achten Tag beschnitten.«
»Woher weißt du das alles?«, bellte er Federlin an. Der Gaukler saß ganz ruhig da. Er sah den Pater ohne jede Regung an. Dann sagte er: »Dein Vater war Gutsverwalter bei Oderich von Heilingen, dem Vater des Grafen Albert. Oderich war ein großherziger Mann, der viel für die Juden und ihre Gebräuche übrig hatte. Daher bereitete es ihm keine Schwierigkeiten, einen Juden als Verwalter zu beschäftigen. Auch deine Mutter war ihm sehr lieb. Oderich blieb natürlich nicht verborgen, dass mit dir etwas nicht stimmte, denn dein Vater hatte es ihm erzählt. Ein solches Geschöpf wie dich aber betrachtete Oderich als schlechtes Omen; deshalb ließ er es nicht zu, dass du in seinen Mauern weiltest. Deinem Vater blieb daher nichts anderes übrig, als dich fortzugeben. Graf Albert von Heilingen war damals noch nicht geboren, aber Oderich erzählte ihm die Geschichte später. So wusste der Graf von deiner Existenz.«
»Angeblich will der Graf dasselbe wie ihr«, sagte Hilarius und schaute in die Runde der schweigenden, ihn aufmerksam anschauenden Juden. »Warum habt ihr euch dann nicht zusammengetan?«
Es war Meisl, der auf diese Frage antwortete. »Wir kennen Graf Albert von Heilingen. Er ist mit dem Bösen im Bunde – wie immer du es auch nennen magst. Er will nicht, dass du den Messias zeugst, sondern dass du etwas Böses hervorbringst, das du den Antichrist nennst. Nach euren Theologen wird der Antichrist dem Stamme Dan entspringen, dessen Blut du ebenfalls in dir trägst. Die Tat der Zeugung ist in beiden Fällen dieselbe; nur die Begleitumstände entscheiden, ob es sich zum Guten oder Bösen wendet.«
»Das ist doch unmöglich«, sagte Hilarius verzweifelt. »Das glaube ich nicht. Gute Taten sind gut und böse sind böse.«
»Er versteht uns nicht«, sagte David Tebel zu Meisl. »Er versteht nicht, dass alle Taten neutral sind, dass sie Gefäße sind, die man erst füllen muss.«
Hilarius stand unschlüssig in der Mitte des Kreises. Er blickte auf die Tür und dann auf den leeren Stuhl, auf dem er zuvor gesessen hatte. Ihm schwirrte der Kopf. Wie konnte er all das glauben? Es zerstörte alles, wofür er in seinem ganzen Leben gearbeitet und gebetet hatte. Es ließ ihm nichts übrig, woran er noch glauben konnte. An einen bösen Gott? Nein, das durfte nicht sein.
»Wenn du in Prag bist, wirst du es selbst bemerken«, sagte Lejb Braunes. »Dort ist das Zentrum der Verwirrungen, dort ist nicht nur der Atem, sondern auch der, der atmet. Es wird deine Aufgabe sein, ihn ausfindig zu machen und mit seiner Hilfe den
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