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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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denn er ist tot. Konnte die Gegenwart Wolf Auerbachs nicht lange ertragen. Seine Seele ist verdorrt.«
     
    »Wo könnte man nach ihm suchen?« Welch eine dumme Frage, dachte Martin, denn wer sollte schließlich nach ihm suchen? Es gab niemanden mehr für diese Aufgabe. »Wissen denn nicht noch andere um diesen Auerbach?«
     
    »Es kreisen Gerüchte im Ghetto, aber ich bin sicher, dass niemand sonst weiß, zu welchem Ungeheuer Auerbach geworden ist. Er wird sich versteckt halten. Du musst jeden Stein der Judenstadt umdrehen. Du musst ihn finden!« Den Priester schien es nicht mehr zu bekümmern, dass Martin in derselben ausweglosen Lage war wie er selbst.
     
    Da öffnete sich das Eisentor.
     
    Ein Wächter erschien dahinter und forderte den Priester mit herrischer Stimme auf, mitzukommen. Er wickelte sich aus seiner Decke und verließ die Zelle. Bevor sich die schwere Tür schloss, warf er Martin einen letzten Blick zu.
     
    In diesem Blick lag die Angst der ganzen Welt gebündelt.
     

     
    Martin hörte die Schreie durch die dicken Mauern hindurch. Die Schreie des Priesters auf der Folter. Sie waren gedämpft, klangen wie das Miauen eines Bussards, aber deswegen waren sie nicht minder schrecklich. Sie waren Martins Zukunft.
     
    Er versuchte, in der Dunkelheit und im Schutz der Decken, in die er sich nun eingewickelt hatte, nachzudenken. Konnte etwas Wahres an dem sein, was dieser verwirrte Priester ihm mitgeteilt hatte? Lief da draußen, irgendwo in der Judenstadt, ein Mensch herum, der das Tor zu einer anderen Welt war? Das war doch einfach unvorstellbar! Aber es passte zu den Gerüchten, die Martin auf seiner Odyssee aufgeschnappt hatte. Andererseits jedoch waren diese Gerüchte so vage, dass sie zu allen möglichen Informationen passen konnten.
     
    Nein, wichtiger als diese Spinnereien war die Frage, wie er sich im Fortgang seines eigenen Prozesses verhalten sollte. Er musste den Richter unbedingt davon überzeugen, dass er unschuldig war! Eine leise Stimme in seinem Kopf lachte über diese Naivität.
     
    Die Tür öffnete sich erneut. Martin sah zu dem dicker werdenden Lichtspalt hin, der über den Boden fiel, und erwartete, dass man den Priester hereinbrachte. Er blinzelte. Der Mann, der da neben der Wache stand, hielt sich zu aufrecht für einen Gefolterten. Es konnte nicht der Priester sein.
     
    Dann trat der Mann in die Zelle. »Eine Fackel!«, verlangte er herrisch. Er erhielt sie von dem Wächter. Noch bevor Martin das Gesicht des Besuchers sehen konnte, wusste er, um wen es sich handelte. Er hatte ihn an der Stimme erkannt. Pater Hilarius!
     
    Martin sprang auf, riss sich die Decken ab und machte einen Schritt auf den Pater zu. Er konnte es einfach nicht glauben! Das war das Wunder, das er nicht zu erhoffen gewagt hatte!
Gott! Ich danke dir!,
brauste es in Martins Schädel.
Dank! Dank!
     
    Die Tür blieb offen; der Lichtschein aus dem Gang dahinter war warm und freundlich. »Pater Hilarius!«, rief Martin. »Wie gut es tut, Euch wiederzusehen! Ich hatte schon befürchtet, Ihr wäret tot.«
     
    »Tatsächlich?«, sagte der Pater. In seiner Stimme lag eine schneidende Kälte. »Wäre dir das lieber gewesen?«
     
    »Wie könnt Ihr nur so etwas sagen! Es gibt niemanden, den ich lieber hier sähe als Euch! Der Himmel hat Euch geschickt.«
     
    »Ich habe erfahren, was man dir zu Last legt«, sagte der Pater.
     
    »Lügen! Es sind alles Lügen!«, sagte Martin heftig. »Man hat mich bereits verurteilt, ohne mir den Prozess zu machen! Aber jetzt seid Ihr ja da. Nun kann mir nicht mehr passieren.« Er machte einen Schritt auf den Pater zu.
     
    Hilarius wich vor ihm zurück.
     
    »Rühr mich nicht an, Zauberer!«, schrie er. »Was ich über dich hören musste, hat mir das Herz gebrochen! Und nun werde ich deine Seele brechen!«
     
        
     

28. Kapitel
     
    Manche Ratten waren abgerichtet; manche Ratten wurden gefressen, wenn der Brei und das Brot wieder einmal nicht für alle ausreichten.
     
    Hexen, überall Hexen.
     
    Der Kerker war voll von ihnen. Und alle hatten geschorene Köpfe. Einige lagen jammernd und zusammengekrümmt auf dem Steinboden; andere hatten tuschelnd die Köpfe zusammengesteckt; wieder andere taten Dinge, die Maria nicht verstand.
     
    Sie wagte nicht, sich diesen Kreaturen zu nähern, und zunächst nahm auch niemand von ihr Notiz. Doch irgendwann, nachdem sie wieder einmal von den Breitöpfen und Brotstücken abgedrängt worden war, bot ihr eine der Hexen einen

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