Der schwarze Atem Gottes
Rattenschwanz an. »Kannst du noch abnagen«, sagte sie und kratzte sich am schorfigen Kopf.
Maria zog eine angewiderte Schnute. »Danke, ich bin satt.«
»Na, auch du wirst hier noch auf den Trichter kommen«, sagte die Frau. Sie war vielleicht 40 oder 50 Jahre alt, recht klein und ungeheuer mager. Den Lumpen, in den sie sich eingewickelt hatte, konnte man beim besten Willen nicht mehr als Kleidungsstück bezeichnen. Sie hatte rote Flecken auf den Wangen und Dreck am Kinn, den sie offenbar nicht mehr bemerkte. »Was hast du denn getan, Kindchen?«, fragte sie. »Dasselbe wie wir?«
»Nein«, entrüstete sich Maria. »Ich bin keine Hexe! Ich bin unschuldig.«
»Aber das sind wir doch alle«, mischte sich eine andere Frau ein, die groß und hager wie eine Bohnenstange war. Ihre Nase war spitz und lang, doch an ihren Augen war noch immer abzulesen, dass sie einmal recht schön gewesen sein musste – in einem anderen Leben. »Wir sind doch alle arme Wesen, die vom Teufel verführt wurden.«
»Aber ich habe nichts getan«, empörte sich Maria.
»Ach?«, meinte darauf die Bohnenstange. »Keinen Schadenszauber ausgeübt?«
»Natürlich nicht. Du etwa?«
»Aber sicher! Ich habe dem Sohn meines Nachbarn, diesem dreckigen Vieh, die Pocken angehext, und daran ist er gestorben.« Sie lachte. »Es tut mir nicht leid.«
»Oh, und ich habe den Teufel angebetet«, sagte die kleine Alte. »Leider hat er sich mir nicht gezeigt. Und leider bin ich mitten in einer Anrufung verhaftet worden. Aber vielleicht erscheint er mir ja hier an diesem Höllenort noch und befreit mich.«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, sagte eine andere Frau, die der Unterhaltung bisher schweigend gelauscht hatte. »Hier kommt keiner von uns mehr lebend raus – höchstens noch bis zum Scheiterhaufen.«
»Was ist eigentlich mit euren Haaren passiert?«, fragte Maria leise.
Die drei Frauen lachten auf. »Das weißt du nicht?« Sie blinzelten sich anzüglich zu. »Na, du wirst es selbst noch herausfinden.«
Sie sollte es tatsächlich bald erfahren.
Nach einer Zeitspanne, die sie nicht bemessen konnte – waren es Stunden oder Tage in diesem unterirdischen, nur von einer einzigen Fackel draußen vor dem Gittertor erhellten Verlies gewesen? –, wurde sie aus dem Höllenpfuhl herausgeholt und in einen anderen Kerker verbracht, der vollkommen leer war. Die Wache stieß sie in den Raum und blieb mit ihrer Fackel in der Nähe der Tür stehen. Schließlich erschienen zwei Männer, deren Anblick nichts Gutes verhieß. Der eine war gedrungen, stämmig und hatte ein viehisches Gesicht. In der Hand hielt er eine Schere, ein Rasiermesser und eine Nadel mit einem seltsam dicken Griff. Der andere war etwas größer, trug einen Bart, der Maria an die Barttracht des Grafen von Heilingen erinnerte, und hatte stechende Augen. Er baute sich vor Maria auf und sagte mit lächerlich hoher Stimme zu ihr: »Wir werden nun die Nadelprobe an dir vornehmen, Hexe. Zieh dich aus.«
Nein! Nicht vor diesen Bestien! Maria wich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf.
»Georg!«, rief der Mann mit den stechenden Augen. Seine hohe Stimme schrillte von den nackten Wänden wider.
Sein Knecht ließ alles fallen, was er in der Hand gehalten hatte; die Gegenstände schepperten blechern auf den Boden. Dann leckte er sich mit der Zunge über die Lippen, stellte sich hinter Maria und fetzte ihr die schmutzigen Kleider vom Leib. Auch vor dem Hemd machte er nicht halt. Als sie schließlich völlig nackt dastand, griff er rasch einmal mit seinen Pranken von hinten um ihre Brüste.
»Lass das, Georg. Zuerst müssen wir unsere Arbeit tun.« An Maria gewandt erklärte er: »Nun werden wir dein Hexenmal suchen – am ganzen Körper. Und dazu müssen wir dich auch deiner Haarpracht entledigen. Außerdem könntest du in den Haaren oder deinen Körperöffnungen ja zauberische Mittel versteckt halten. Georg, zuerst das Haupthaar.«
Georg brummelte etwas, ließ Maria los und bückte sich nach der Schere.
Er hob sie auf und hielt sie wie eine Lanze. »Auf die Knie!«, raunzte er Maria an. Sie hatte Angst, also gehorchte sie.
Roh und rabiat schnitt er ihr zuerst die braunen Locken ab, bis sie spürte, dass nur noch Fetzen und Stoppel übrig waren. Dann setzte er das Messer an. Mehr als einmal schnitt er ihr in die Kopfhaut, und schließlich rann ihr das Blut in die Augen und über die Wangen. Es war wie
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