Der schwarze Atem Gottes
Hunger.«
»Ich auch«, sprang Martin ihr bei.
Sie musste lächeln. Wenigstens hatte er noch menschliche Bedürfnisse.
»Legt euch da unter diese große Ulme«, sagte Federlin mit einem Seufzer. »Ich gehe los und hole uns etwas.«
Maria setzte sich in das weiche Gras und lehnte sich an den rauen Stamm der Ulme, deren Blätterwerk sich wie ein dichtes grünes Dach wölbte. Der Baum stand nicht allzu weit von der Straße entfernt, aber dichtes Buschwerk verbarg die müden Wanderer vor neugierigen Blicken. Doch wer sollte sich schon nachts auf dieser schlechten, tief ausgefurchten Straße aufhalten?
Auch Martin setzte sich; er ließ aber einen gehörigen Abstand zwischen sich und Maria.
Wenn sie ihn ansehen wollte, musste sie sich ziemlich weit drehen. Sie fragte ihn: »Glaubst du, dass wir Hilarius und diese Bande noch einholen werden?«
»Ja, mit Gottes Hilfe«, brummte Martin, der offenbar nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung war.
»Und wie sollen wir Hilarius befreien, wenn wir ihn finden? Hast du schon einen Plan?«
»Nein.«
»Er hat einen guten Mitbruder in dir«, meinte Maria versonnen. »Nicht jeder würde sein Leben aufs Spiel setzen, um einen Konfrater zu retten, oder?«
»Das verstehst du nicht. Hier geht es um viel mehr.«
»Um was denn?«
»Um … Es hat keinen Sinn, es dir zu erklären. Du würdest es ja doch nicht verstehen.«
»Vielen Dank!«, schnappte Maria. »Du glaubst wohl, ich bin zu dumm, um den weisen Ausführungen eines gelehrten Klosterbruders zu folgen, was?«
»So habe ich das nicht gemeint«, verteidigte sich Martin. Seine Stimme war plötzlich wieder sanft und weich geworden. Maria drehte sich nach ihm um. Er zupfte verlegen an seiner Kutte und hielt den Blick starr auf die Tiefen des Waldes gerichtet. »Es ist nur so, dass … dass ich selbst nicht verstehe, was eigentlich los ist. Mit mir und mit der Welt.« Jetzt schaute wieder der zaudernde Mönch aus ihm hervor, der er vor dem schrecklichen Erlebnis mit dem Zauberer Laurenz Hollmann gewesen war. »Irgendetwas braut sich zusammen. Irgendetwas Furchtbares. Und ich glaube, dass Pater Hilarius es verhindern kann. Mit meiner Hilfe.«
»Und was braut sich da zusammen? Was glaubst du?«
»Ich weiß selbst nicht mehr, was ich glauben soll – und an wen.« Er straffte sich wieder, und seine Stimme nahm einen härteren Klang an. »Ich weiß nur, dass eine große Verantwortung auf mir liegt.«
In diesem Augenblick kam Federlin mit einem toten Hasen zurück. »Seht mal, was mir vor die Füße gelaufen ist!« Er schlenkerte den Hasen an den langen Ohren hin und her. »Nun fehlt uns nur noch ein lustiges Feuer, und wir werden das beste Essen seit Langem haben.« Er legte den Hasen mit einer übertriebenen Geste vor Marias Füße, als wäre das Tier die Opfergabe für eine Göttin. Maria musste lächeln. Er lächelte zurück. Das Feuer seines Blickes durchrieselte sie. Und stürzte sie abermals in Verwirrung. Dann verschwand der Gaukler wieder im Gebüsch und kam schon nach wenigen Minuten mit einem Armvoll Brennholz zurück. Mit scheinbarer Mühelosigkeit entfachte er ein Feuer, zog dem Hasen mit einem gefährlich aussehenden Messer aus seinem Ranzen das Fell ab, schnitt die besten Stücke aus dem Fleisch heraus und steckte sie an kleine Holzspieße.
Es war ein köstliches Mahl. Danach waren alle drei zufrieden und ruhig.
Nachdem das Feuer gelöscht war, rückte Martin näher an Federlin heran und fragte mit gedämpfter Stimme, die Maria jedoch noch gut verstehen konnte: »Hast du schon einmal etwas vom schwarzen Atem Gottes gehört?«
Maria sah den Blick, den Federlin dem Mönch zuwarf, aber sie konnte ihn unmöglich deuten. Es lag keine Überraschung darin, sondern so etwas wie Belustigung, aber auch Angst und noch unendlich viel mehr.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte der Gaukler.
»Du hast gesagt, dass du die Gerüchte über den bevorstehenden Weltuntergang kennst«, bohrte Martin weiter.
»Gerüchte, nichts als Gerüchte«, wiegelte Federlin ab und streckte die Beine aus. »Es stimmt, dass der Hexen immer mehr zu werden scheinen, und es stimmt auch, dass das Böse in der Welt wächst wie nie zuvor. Aber ob das gleich das Ende der Welt bedeutet, ist doch wohl zweifelhaft.«
Das Ende der Welt? Maria stockte der Atem. Meinte Martin das ernst? »Wovon redet ihr da?«, fragte sie
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