Der schwarze Dom
heilige Stille.
Wenigstens hatte er nicht leiden müssen.
Tracie hing schlaff an Carls Seite, ihre Kräfte verließen sie. Carl mußte sie stützen; er nahm ihr dabei die Taschenlampe aus der Hand, aus Furcht, sie könne herunterfallen und sie mit diesen beiden Mördern im Dunkeln lassen.
»Es ist vollbracht«, sagte Cessy ihrem Bruder.
»Aber ich wollte es doch tun!« beschwerte sich Davey sprang zur Tür und spähte hinein. »Ich höre ihn gar nicht.«
»Aber ich«, sagte Cessy leise.
»Was hast du getan?« fragte Davey.
»Was hätte ich denn tun sollen?« entgegnete Cessy.
Einen Moment lang war Davey wütend. Dann beruhigte er sich wieder. »Ich war fertig mit der Anrufung«, meinte er schließlich und schien einig mit Cessy. Carl fiel auf, daß Davey weder Cessys kurzen Sprechgesang noch Ricks Genickbruch gehört hatte.
Ob Cessy ihn kurzzeitig hypnotisiert hatte?
»Es ist gut so«, fuhr Davey fort. »Ich bleibe stark. Wir müssen weitermachen.«
»Womit?« fragte Cessy.
»Mit Carl.«
»Tom ist noch nicht zurück«, sagte sie mit leicht ironischem Unterton. Sie hatte sich definitiv verändert, seit sie hierhergekommen war, erst recht, nachdem Davey ihren Hund umgebracht hatte. Die mysteriöse Echse zappelte nach wie vor hinten in der Ecke hin und her. Davey drückte sich unschlüssig auf seinem Altar herum, wahrscheinlich gerade in Gedanken darüber versunken, ob er sein nächstes Opfer braten oder kochen sollte.
Carl konnte nicht fassen, daß Rick wirklich verschwunden war. Selbst sein Körper mußte mittlerweile zerstört sein. Als erstes zerfressen würde die Säure…
Lieber nicht darüber nachdenken.
»Wieso nehmt ihr denn nicht gleich uns alle und bringt die Sache hinter euch?« rief Tracie und richtete sich neben Carl auf.
Tracies Gefühlsausbruch erheiterte Davey. Gemächlich schritt er auf sie zu. Dabei holte er ein Jagdmesser aus seiner Gesäßtasche.
»Ganz schön scharf«, meinte er und hielt es hoch, damit sie die Klinge prüfen konnten. Es war nicht die gleiche Art Messer, die sie zu Beginn der Schnitzeljagd gefunden hatten. »Mit so einem Messer könnte man glatt eine frische Braut häuten. Ich sag’ euch das, damit ihr die Demonstration besser verstehen könnt, die ich euch jetzt gebe.«
»Was für eine Demonstration?« fragte Carl.
»Geht dich an, Carl«, sagte Davey. »Hast du gewußt, daß du nicht der ganz normale Oberstufenschüler bist?«
»Was meinst du damit?« fragte er.
»Hast du Alpträume, Carl?« fragte Davey.
»Manchmal.«
»Wovon träumst du?«
»Weiß ich nicht mehr«, log er.
»Erinnerst du dich an Joe, deinen besten Freund?«
»Ja«, antwortete Carl.
»Wo ist er gestorben?«
»Hier in der Nähe.«
»Wie ist er gestorben?« fragte Davey.
»Das weißt du doch. Du hast es selbst schon gesagt.«
»Ich will, daß du es noch mal sagst Carl.«
»Er ist ertrunken.«
»In der Wüste?«
»Ja«, erwiderte Carl.
»Hast du versucht, ihn zu retten? Bevor er ertrunken ist?«
»Ja.«
»Hast du dein Leben riskiert?«
»Warum willst du das wissen?« fragte Carl zurück. Er fühlte sich zunehmend unwohler, falls so etwas überhaupt noch möglich war.
»Ich will wissen, wie nahe du dem Punkt gekommen bist, dein Leben zu riskieren. Ich will außerdem wissen, wie spät du daran gedacht hast.«
»Warum?« fragte Carl.
»Weil ich glaube – und Tom ist der gleichen Meinung –, daß du es vermasselt hast, Carl.«
»Ich habe es versucht«, sagte er.
»Na klar, du hast es versucht«, sagte Davey. Er nahm das Messer in die rechte Hand. Während er das tat, traf Carls Taschenlampe die Klinge in einem solchen Winkel, daß Carl für einen Augenblick von der Reflexion des Lichtstrahls geblendet wurde. Davey fuhr fort: »Aber wo Tom glaubt, es war eine Sache von zuwenig, zu spät, bin ich der Meinung, es war eine Frage von zuviel und zu spät.«
»Ich verstehe nicht!« stotterte Carl.
»Tracie«, sagte Davey. »Wie fühlt sich Carl jetzt im Moment für dich an?«
»Gut«, sagte sie.
»Fühlt er sich nicht ein wenig kalt an?«
»Er fühlt sich gut an«, sagte Tracie. »Sag, was du sagen willst und laß es dann gut sein. Wir sind hier nicht deine Kuscheltierchen.«
»Vielleicht gehst du lieber weg von deinem Schatz, bevor ich loslege«, sagte Davey.
»Hör auf, Davey«, sagte Cessy. Ihr Ton klang entschieden, wenn sie auch offensichtlich niemandem zu Hilfe kommen würde. Nach wie vor stand sie in der Nähe des Eingangs, als wolle sie ihn bewachen. Davey begegnete
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