Der schwarze Dom
versucht und bist gestorben?«
Der Junge schluckte. Fast so sehr wie Luft zum Atmen brauchte er jetzt etwas zu trinken. Doch wenn er an Wasser, irgendwelches Wasser dachte, wurde ihm speiübel. Er sah sich in der engen Kabine um. Die kilometerlangen schwarzen Wände, an denen er sich vorbeibewegt hatte, gingen ihm durch den Kopf. Er griff sich an die Brust und dachte an das Blut, das vom Messer getropft war.
»Ja«, erwiderte er kläglich.
»Glaubst du ihnen?«
»Warum fragen Sie mich das alles?« rief der Junge. »Sie sind doch der Priester! Sie müssen mir sagen, ob ich tot bin oder lebe!«
»Oh, leben tust du. Soviel kann ich dir versichern.«
Der Junge lehnte sich zurück. »Danke.«
»Aber es geht dir nicht gut.«
Der Junge schwieg einen Moment. »Wie meinen Sie das?«
»Ich glaube, du brauchst Hilfe. Mehr als ich dir heute abend geben kann.«
»Sie meinen, Sie glauben mir nicht?«
»Ich glaube einiges von dem, was du mir erzählt hast. Aber diese Sache mit den Leuten, die von den Toten zurückkehren, und diese Millionen Jahre alte Reptilien-Zivilisation – das ist reine Erfindung. Du solltest aus deinen Schulbüchern wissen, daß so etwas unmöglich ist.«
Mit einemmal hatte der Junge genausoviel Wut im Bauch wie Angst im Herzen. Diese alte Schnapsnase hier hatte ihn einfach bloß erzählen lassen!
»Meine Schulbücher?« sagte der Junge. »Sie haben vielleicht Nerven. Sie glauben daran, daß einmal ein Mann Wasser in Wein verwandelt hat. Was meinen Sie eigentlich, was dazu meine Schulbücher sagen würden? Was für ein Priester sind Sie denn überhaupt? Ihr redet doch ständig über den Teufel. Also, hier habe ich einen für Sie mitgebracht. Nein, ich habe Ihnen sogar zwei mitgebracht. Seien Sie doch froh darüber!«
»Es ist schon spät«, sagte der Priester. »Ich muß morgen früh raus zur Messe. Ich kann aber jemandem aus dem Direktorium Bescheid geben, daß er dich mitnimmt in die nächste… « Der Priester verstummte. »Was war das?« fragte er.
»Ich hab’ nichts gehört«, sagte der Junge. Kaum waren ihm allerdings diese Worte über die Lippen gekommen, als er sehr wohl etwas hörte – ein verhaltenes Klopfgeräusch, gepaart mit einem noch leiseren Kratzen.
O Gott, nein.
»Ist da jemand?« rief der Priester. »Hallo? Da ist doch jemand.« Der Schatten des Priesters richtete sich auf. »Entschuldige mich, mein Sohn, ich bin sofort wieder da.«
»Nein!« schrie der Junge. »Bleiben Sie, wo Sie sind!«
Der Priester achtete nicht auf seine Warnung. Er öffnete seine Tür am Beichtstuhl. Nicht einmal die Heilige Schrift hatte ihn warnen können, diese Tür geschlossen zu halten.
»Was wollt ihr hier?« fragte der Priester. »Ihr könnt nicht…«
Der Junge senkte den Kopf und schloß die Augen. Er versuchte sich erst gar nicht an seiner Tür, obwohl vielleicht ja doch die Möglichkeit bestand, daß Davey den Priester laufen ließ. Aber der Junge glaubte nicht daran. Davey ließ sich bei dem, was er wollte, in nichts hineinreden, und was er am meisten wollte, war Töten. Davon abgesehen war der Junge viel zu verängstigt, um sich zu bewegen.
Der Priester schrie auf.
Ein grauenhaftes Ende, in Schmerz und Schrecken. Doch das Schreien des Priesters ging rasch in Röcheln über. Der Junge vernahm wilde, vernichtende Tritte, das Reißen von Stoff, den Klang der Sinnlosigkeit. Das Geräusch schien ewig zu währen. Dann jedoch kam es mit einem dumpfen Aufschlag jäh zum Ende. Davey hatte die Leiche fallen lassen.
Der Junge machte die Augen wieder auf.
Eine Blutlache floß unter der Beichtstuhltür hinein.
Jemand klopfte an die Tür.
»Carl«, sagte Davey. »Zeit zum Rauskommen. Die Zeremonie fängt gleich an.«
13. Kapitel
Weder Tracie noch Paula bekamen mit, wie der Priester ermordet wurde. Davey beging das Verbrechen in der Beichtecke zwischen den beiden Beichtstühlen. Aber den Mädchen war klar, wie er es tat. Er hielt einen straff gespannten dünnen Metalldraht in der Hand, als der Priester den Fehler machte, die Türe zu öffnen.
Dreizehnjährige Cindy Pollster erdrosselt aufgefunden.
Eine Lieblingsbeschäftigung, kein Zweifel.
Während der Hinrichtung stand Cessy derart gelassen hinter ihnen, als wartete sie bloß, bis ihr zu Streichen aufgelegter Bruder die Luft aus dem Auto seines Kumpels herausgelassen hatte. Keines der Mädchen appellierte an Cessy, Davey aufzuhalten. Sie konnten nämlich gar nicht mehr sprechen. Neben einem scharfen Messer in der
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