Der schwarze Engel: Horror-Thriller
wieder Grund unter den Füßen.
Das andere Ufer lag dicht vor uns.
Wir waren gerettet. Aber um welchen Preis! Mein Freund Dennis Draker hatte sein Leben lassen müssen.
Erschöpft ließ ich mich in den Uferschlick fallen, weinte um meinen getöteten Freund, und wäre Vanessa nicht gewesen, für die es sich gelohnt hätte zu kämpfen, ich glaube, ich wäre noch einmal zurückgeschwommen und hätte den Hundesöhnen die Zähne gezeigt.
»Wir können nicht hierbleiben«, drängte sie. »Wir müssen weiter. Du holst dir sonst noch den Tod.«
Sie reichte mir die Hand und zog mich hoch.
Wir stolperten in die Nacht hinein. Irgendwann lichtete sich der Nebel. Wir erreichten eine schmale Straße, gingen auf ihr weiter und kamen zu einem Dorf.
Vanessa riskierte es und klopfte an die erstbeste Tür. Eine alte Frau öffnete uns. Sie schaute uns an und ließ uns schweigend eintreten. Sie hielt uns für politische Flüchtlinge. Und das war gut so, denn die Alte war eine Gegnerin des Systems.
Ich ließ sie auch in dem Glauben, trank heiße Ziegenmilch, hatte vorher schon meine Sachen ausgezogen und hockte, nur in eine Decke gehüllt, vor dem Kamin.
Vanessa erging es nicht anders.
Die Alte bereitete uns ein Lager auf dem festgestampften Lehmboden. Wir schliefen eng aneinandergeschmiegt. Zum erstenmal spürte ich Vanessas wunderbaren nackten Körper in meinen Armen. Sie war sehr erschöpft und schlief sofort ein. Ich aber dachte an Dennis Draker, und in meiner Kehle setzte sich ein Kloß fest, der auch in der Frühe noch nicht gewichen war.
Am anderen Morgen fragte die Frau, wie es weitergehen sollte.
Ich hob die Schultern, sagte aber, daß wir unbedingt aus dem Land herausmüßten.
Unsere Helferin sah mich aus ihren hellwachen Augen nachdenklich an. »Hast du Geld?« fragte sie dann.
Ich nickte zögernd.
»Gut, dann kann ich euch vielleicht außer Landes schaffen lassen. Meine Söhne werden das besorgen. Sie bringen euch quer durch das Land bis hin zur Küste. In Split kennen wir einen alten Kapitän, der hin und wieder nach Italien fährt. Er könnte euch unter Umständen mitnehmen, wenn ihr zahlt.«
»Wieviel?« fragte ich nur.
Der Preis war horrend. Soviel hatte ich kaum bei mir. Ich handelte die Alte jedoch herunter, so daß mir noch ein paar Scheine für die Passage blieben.
Zwei Tage später ging es los.
Es wurde eine Reise, die ich nie vergaß. Über Berge und verschneite Pässe. Und alles nur auf dem Rücken eines Esels. Vanessa hielt sich bewundernswert. Als wir nach achtzehn Tagen endlich das Meer sahen, schickte ich ein Dankgebet zum Himmel. Doch wir mußten noch einmal drei Tage warten, ehe der Nebel über der Adria so dicht war, daß der Kapitän auslaufen konnte. Außer uns befanden sich noch drei Flüchtlinge an Bord. Wir sprachen während der Reise nicht ein Wort miteinander.
Schließlich erreichten wir Italien. Und von dort aus war alles nur noch ein Kinderspiel. Wir heirateten in den Staaten, zogen aber nach Schottland. Ich kaufte ein Schloß. Vanessa fühlte sich wohl. An Brodkin dachte ich kaum noch.
Kapitel 14
Gegenwart
James King nahm einen Schluck aus dem Weinglas und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ja«, sagte er mit leiser Stimme, »so ist es damals gewesen.«
Damona King wußte nicht, was sie von all dem halten sollte. Sie schaute ihre Mutter an. »Na, dann bist du ja ...«
Vanessa nickte lächelnd. »Sprich es ruhig aus. Ja, ich bin eine Hexe.«
Das schwarzhaarige einundzwanzigjährige Mädchen schluckte. »Und ich? Was ist mit mir?«
Vanessa wandte sich an ihren Mann. »Sag du es ihr, James.«
James King erhob sich, schritt auf das verhängte Fenster zu und drehte sich kurz vorher um, damit er seiner Tochter ins Gesicht schauen konnte.
»Ich habe dir vorhin erzählt, daß deine Mutter Hexenfähigkeiten besitzt. Geschwächt zwar, aber immerhin. Du, Damona, hast diese Fähigkeiten übernommen, vielleicht sogar stärker als deine Mutter. Das heißt, du bist ebenfalls eine Hexe!«
Damona senkte den Kopf. Tief holte sie Atem. »Aber ... ich ... ich habe doch von alldem nichts bemerkt«, flüsterte sie. »Ich meine, wenn ich eine Hexe wäre, dann ...«
Vanessa King strich ihrer Tochter über das Haar. »Deine Fähigkeiten schlummern tief in dir, Darling. Sie müssen erst noch geweckt werden. Aber daß du eine Hexe bist, das habe ich gespürt.«
Damona hob den Kopf. In ihren Blicken schimmerte Unverständnis. »Aber Hexen sind ... ich meine ...«
Jetzt lachte
Weitere Kostenlose Bücher