Der schwarze Engel: Horror-Thriller
und ein wohliger Schauer durchrieselte mich.
»Sag, bist du wirklich eine Hexe?«
»Ja.«
Tief atmete ich ein. »Aber wieso, es gibt doch keine ...«
»Doch, mein Lieber, es gibt Hexen. Nicht so, wie du sie vielleicht aus Geschichten kennst. Wir reiten nicht auf dem Besen durch die Lüfte, aber wir sind existent. Nur gibt es auch bei uns Unterschiede. Viele meiner Schwestern haben sich mit dem Teufel verbündet. Auch ich sollte dies tun, habe es aber abgelehnt. Ich wollte nicht mit dem Bock buhlen.«
Sie machte ein Pause. Rasch fragte ich weiter. »Was geschah dann? Wie haben die anderen Hexen deinen Entschluß aufgenommen?«
»Sie haben mich ausgestoßen, und ich mußte zusehen, wie ich mich durchschlug.«
»Dann gerietst du in Brodkins Hände.«
»Ja, er fing mich regelrecht ein. Ich war in der Umgebung bekannt. Brodkin machte den Leuten den Vorschlag, mich auf den Scheiterhaufen zu stellen. Sie waren sofort einverstanden, und Brodkin kassierte auch eine erkleckliche Summe. Ich wäre elendig verbrannt, wenn du mich nicht weggeholt hättest.«
Wieder spürte ich ihre Hand, und in meiner Kehle wurde es rauh. Ich räusperte mich frei und stellte die alles entscheidende Frage. »Würdest du bei mir bleiben, Vanessa?«
Jetzt war es heraus.
»Für immer?« erkundigte sie sich leise.
»Ja.«
Ich fuhr unwillkürlich langsamer. Vor Freude schlug mein Herz heftiger. Ich hätte in diesen Augenblicken die ganze Welt umarmen können. Mein Gott, ich benahm mich ja wie ein Primaner. Ich gab meiner Stimme einen möglichst festen Klang, als ich fragte: »Und du hast keine Sehnsucht nach Rumänien?«
»Nicht mehr.«
»Wo möchtest du denn leben?«
Die Antwort kam zögernd. Dann aber sagte Vanessa: »In England. Am liebsten würde ich in England leben. Aber du bist Amerikaner, nicht wahr?«
Ich winkte lachend ab. »Na und? Was spielt das für eine Rolle? Meine Heimat ist die ganze Welt. Ich fühle mich überall zu Hause. Ob in den Staaten, in England oder Indien. Nur nicht gerade hier in Rumänien«, fügte ich noch hinzu.
Vanessa lachte. »Das kann ich verstehen.«
Wir fuhren weiter. Der Ford hoppelte über Bodenwellen. Grassoden kratzten und schleiften an der Auspuffwanne. Die Scheinwerferstrahlen tanzten auf und nieder. Ich sah lange Buschreihen und auch Schilffelder in ihrem Licht auftauchen.
Wir hatten den Sumpf erreicht.
Ich weckte Dennis Draker.
Er fuhr hoch. »Was ist? Sind wir schon da? Wo geht's lang?«
»Komm erst einmal zu dir«, sagte ich. »Wir haben das Sumpfgebiet erreicht.«
»Dann sind wir ja bald an der Grenze.«
»Fast«, erwiderte Vanessa. »Es ist höchstens noch eine Strecke von zwei Meilen.«
Über die breite Donau brauchten wir nicht. Aber wir mußten einen anderen Grenzfluß überqueren. Die Nera, ein wesentlich schmaleres Gewässer, das sich in Schlangenlinien durch den Sumpf wand.
Urplötzlich zog Nebel auf. Von einem Augenblick zum anderen steckten wir in der dicken grauen Suppe. Ich fluchte, Dennis schimpfte auch, nur Vanessa blieb ruhig.
»Im Nebel können auch die Grenzposten nichts sehen«, gab sie zu bedenken.
Dennis lachte. »Da hat sie recht.«
»Und wenn wir die Orientierung verlieren?« wandte ich ein.
»Wir müssen uns eben nur in der Nähe des Flusses halten«, sagte Vanessa. »Dann ist es überhaupt nicht so schwierig.«
»Dein Wort in meinen Ohren«, sagte Dennis, beugte sich vor und versuchte vergeblich den Nebel mit seinen Blicken zu durchdringen. Graue Schwaden zogen träge durch die offene Scheibe. Es wurde empfindlich kühl. Ich war nur froh, daß der Rothaarige kein richtiges Zielwasser getrunken hatte. Die Schrotladung hätte von uns nicht mehr viel übriggelassen.
»Gibt es denn hier keinen verdammten Pfad?« schimpfte Dennis. »Ich sehe schon ...«
Er brauchte nicht mehr weiterzusprechen. Urplötzlich steckten wir fest. Ich hörte es noch klatschen, dann sank die Kühlerschnauze des Wagens in einen Tümpel. Sofort schwappte das grünschillernde Wasser über die Haube.
»Endstation!« rief ich. »Aussteigen.«
Wir kletterten aus dem Wagen. Bis zu den Knöcheln sank ich ein. Dennis und Vanessa erging es nicht besser.
Wir trafen am Heck des Wagens zusammen und berieten. Viel gab es ja nicht zu sagen. Wir mußten die Karre stehenlassen, ließen auch unser Gepäck dort und machten uns zu Fuß auf den Weg.
Durch den Nebel und in einem tückischen Sumpfgelände. Es war der perfekte Wahnsinn, aber es gab für uns keine andere Chance. Wir mußten da
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