Der schwarze Engel: Horror-Thriller
auch er.
Damona bekam von ihrer Mutter einen Schlag gegen die Brust, daß sie zu Boden stürzte. Sie schlug hart mit dem Hinterkopf auf, verlor aber nicht das Bewußtsein, sondern befand sich in einem Schwebezustand zwischen Wachsein und Schlafen.
Sie hörte die Schüsse, und sie drangen wie aus weiter Ferne zu ihr. Schreie drangen an ihre Ohren, dann vernahm sie die Stimme ihrer Mutter.
»Es ist soweit!« gellte sie. »Der Tod ist gekommen. Damona, jetzt mußt du dich entscheiden.«
Wieder wurde geschossen.
Warum verstummte dieses häßliche Rattern der Maschinenpistole nicht? Warum schoß auch die Pistole weiter?
Gequält verzog Damona das Gesicht. Und dann fühlte sie plötzlich, wie es warm in ihrem Körper hochstieg, wie der Stein anfing zu pulsieren und seine Kraft auf sie übertrug.
Urplötzlich waren andere Eindrücke da. Ferne, wundervolle Musik. Und Stimmen.
Eine kannte sie besonders gut.
Sie gehörte ihrer Mutter.
»Ich nehme jetzt Abschied, Damona«, hörte sie. »Ich verabschiede mich von dir und von der Welt der Lebenden. Mein Zukunftstraum ist in Erfüllung gegangen, ich gehe ein in das Reich der Geister. Denk immer daran, was ich dich gelehrt habe, du wirst es brauchen. Ich küsse dich, meine Tochter.«
»Ma?« fragte Damona.
Aber da war nichts mehr. Niemand gab dem jungen Mädchen Antwort. Die Stimme ihrer Mutter hatte sie nur im Geist gehört. Damona King bekam keinen Kontakt. Sie war allein.
Jetzt erst wurde ihr richtig bewußt, daß sie auf dem Fußboden lag. Und schon im nächsten Augenblick spürte sie die Hand auf ihrer Schulter.
Damona öffnete die Augen.
Sie schaute in ein lächelndes Gesicht. Das Lächeln konnte jedoch den Ernst der Blicke nicht wegwischen.
Mike Hunter schaute sie an. »Ich helfe Ihnen hoch«, sagte er. Seine Stimme klang fürsorglich.
»Was ist passiert?« flüsterte Damona. »Ich war plötzlich weg, bekam nichts mehr mit.«
Mike Hunter gab keine Antwort. Statt dessen räusperte er sich die Kehle frei.
Am Schreibtisch stützte Damona sich ab. Sie ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen, und plötzlich weiteten sich ihre Augen. Gleichzeitig schnürte ihr das kalte Entsetzen die Kehle zu.
In einer Ecke lag der Einäugige auf dem Boden. Er rührte sich nicht mehr. Die Holzwand war von Kugeln zerfetzt. Fast neben dem Einäugigen lag James F. King.
Auch er war tot.
»Dad!« schluchzte Damona auf. Sie wollte auf ihren toten Vater zurennen, doch da sah sie ihre Mutter.
Verkrümmt lag Vanessa King neben dem Tisch. Noch im Tod preßte sie ihre Hände gegen den Leib, wo sie die Kugeln des Mörders getroffen hatten. Doch ihr Gesicht zeigte keinen Schmerz. Ein fast glückliches, erlöstes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie hatte gewußt, daß sie gemeinsam mit ihrem geliebten Mann sterben würde, und so war der Tod beinahe eine Erlösung aus dieser quälenden Ungewißheit.
Damonas Augen füllten sich mit Tränen. Sie wankte. Dann lief sie vor, fiel neben ihrer Mutter auf die Knie und bedeckte das leichenblasse Gesicht mit Küssen.
Mike Hunter überließ sie ihrem Schmerz. Er konnte nachfühlen, was jetzt in dem Mädchen vor sich ging. Sie hatte innerhalb einer Minute beide Eltern verloren. So nervenstark konnte man gar nicht sein, um das zu verkraften.
Der junge Detektiv zog ein sauberes Taschentuch hervor und preßte es auf seine Wunde am Oberarm. Dort hatte eine Kugel eine tiefe Furche gerissen. One-Eye-Jackson hatte um sich geschossen wie ein Berserker. Und durch seine Rückendeckung war es Brodkin und Jacques Ruminski gelungen zu entkommen.
Bestimmt würden sie dafür sorgen, daß keiner lebend aus dem Schloß herauskam. Nur sie selbst.
Außerdem war dieser Brodkin ein verdammt harter Brocken. Er hatte den Schlag hingenommen, ohne bewußtlos zu werden. Er war nur für ein paar Sekunden weggetreten.
Noch immer kniete Damona neben ihrer toten Mutter. Das Mädchen hatte jetzt aufgehört zu weinen, hielt nur noch die Hand der Toten. Damona schaute in das leichenblasse Gesicht, als wollte sie sich den Anblick noch einmal genau einprägen.
Sie hatte ihre Eltern geliebt wie nichts auf der Welt. Und dann waren diese dreckigen Gangster aufgetaucht und hatten einfach um sich geschossen. Damona erlebte zum ersten Mal, wie mächtig das Böse auf dieser Welt war. Während sie die Hände der Mutter auf der Brust zusammenlegte, kamen ihr die Worte in den Sinn, die Vanessa noch vor einer halben Stunde gesprochen hatte.
Damona war die Erbin.
»Ja«, flüsterte
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