Der schwarze Engel
keine Lust
gehabt, ihr jetzt auch noch einen Kaffee zu machen. Hoffentlich fasste sie sich
kurz und ging schnell wieder. Delicia hatte jetzt wirklich keinen Nerv für ihre
dämlichen Fragen, sie hatte weitaus Wichtigeres zu tun und empfand es als
bodenlose Frechheit, wie man so ihre Zeit vergeuden konnte. Überhaupt hatte sie
noch kein einziges Wort darüber verloren, dass sie die Delicia war. Konnte es
sein, dass die Agentin trotz ihrer Beliebtheit wirklich noch nichts von ihr
gehört hatte? Oder konnte sie es wagen, sich einfach nicht dafür zu
interessieren und sich für etwas Besseres zu halten? Oder war sie gar neidisch
auf sie und versuchte jetzt deshalb, ihre Autorität als Agentin dazu zu
missbrauchen, um sie zu schikanieren?
Sie betrachtete Sharon. Eigentlich
war sie ziemlich hübsch und machte einen sympathischen Eindruck. Bestimmt
wollte sie nur Delicia nachahmen, weil sie von ihrer Persönlichkeit so angetan
war.
Diese berichtete davon, was Dawson
erzählt hatte und beobachtete sie dabei genau. Das war die reinste Spionage und
am liebsten hätte Delicia ihr an den Kopf geknallt, dass sie sie mit ihrem
Scheiß verschonen sollte.
Sharon fiel auf, dass Delicia
heute sehr viel stiller war, als sonst, und dass sie auch nicht ihr Lächeln
aufgesetzt hatte, während sie von ihrer vorherigen Befragung berichtete: „Dawson
hat mir erzählt, dass es zwischen dir und Lenane Fernandez einige
Unstimmigkeiten gab. Kannst du mir etwas dazu sagen?“
Delicia senkte kurz den Kopf und
machte einen sichtlich getroffenen Eindruck. Während Sharon noch überlegte, ob
sie dies tat, weil sie schuldig war, folgte die Erklärung prompt von Delicia
selbst, die heute sehr leise und bedrückt sprach: „Was mit Lenane passiert ist,
ist ganz schrecklich. Wissen Sie, ich habe in den letzten Tagen immer versucht,
mir nichts anmerken zu lassen, weil ich für die anderen da sein wollte und weil
ich dachte, ich muss stark sein, um die anderen trösten zu können. Sie sind
alle ebenso traurig, wie ich. Nein, ich glaube nicht, dass das die richtigen
Worte sind. Ich glaube, niemanden hat es so tief getroffen, wie mich. Lenane
war meine beste Freundin.“ Diesen Satz sprach Delicia mit großem Nachdruck und
erzählte weiter: „Sie war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, wenn
nicht sogar der wichtigste. Ich versuche die ganze Zeit, meine Gefühle zu
verdrängen, weil ich Angst habe, dass ich zusammenbreche und nie wieder
aufstehen werde. Und ich weiß, dass das niemals in Lenanes Sinn gewesen wäre.
Sie würde nicht wollen, dass wir ihretwegen verzweifeln. All das, was geschehen
ist, ist schrecklich genug. Ich denke ständig an sie.“
Sharon fand, dass dies eine gute
Ansprache war. Allerdings wartete sie immer noch auf eine Antwort zu Dawsons
Äußerungen.
„Was Dawson angeht“, Delicia zog
kurz leicht genervt die Augenbrauen hoch und machte einen erschöpften Eindruck,
„seine Aussage wundert mich nicht im Geringsten.“
Damit hatte Sharon nicht
gerechnet. Mit allen möglichen ausschweifenden Erklärungen, aber nicht damit,
dass Delicia vollkommen unberührt seine Behauptungen ins Unwichtige und
Lächerliche ziehen würde: „Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber er wollte was
von Lenane. Und er war immer sehr aufdringlich und hat es einfach nicht
akzeptiert, dass er nicht ihr Typ war. Alles Mögliche hat er versucht, um bei
ihr zu landen. Und ich habe ihr als ihre Freundin natürlich geholfen, den Typen
los zu werden. Ich habe ihm oft in ihrem Namen überbracht, dass er sie in Ruhe
lassen soll und habe sie natürlich auch verteidigt. Es ist kein Wunder, dass er
sauer auf mich ist. Ich war ihm schon immer ein Dorn im Auge.“
Sharons Meinung darüber, dass
Delicia eventuell etwas mit Lenanes Tod zu tun haben könnte, zerplatzte mit
dieser plausibel klingenden Aussage wie eine Seifenblase. Die Studentin machte
einen gefassten und sicheren Eindruck. Und der Tod ihrer Freundin hatte sie anscheinend
doch mitgenommen, nur konnte sie vermutlich nicht sehr gut damit umgehen und
schämte sich, ihre Traurigkeit zu zeigen.
„Ich verstehe. Ist dir noch etwas
zu der Kette eingefallen?“
Delicia überlegte nur sehr kurz
und plötzlich schien ihr ein Licht aufzugehen. In ihrem Gesicht konnte man
sehen, dass sie auf einmal einen Einfall hatte: „Ja, mir ist gerade etwas
eingefallen! Ich habe das nicht vorher wirklich wahrgenommen, weil ich mit
meinen Gedanken unentwegt bei Lenane bin, aber ich war gestern in einem
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