Der schwarze Engel
aufkreuzen und schon schien sie der Mittelpunkt der Welt zu sein.
Nathalie gab sich einen Ruck und versuchte, etwas freundlicher zu sprechen: „So
habe ich das nicht gemeint. Ich muss mich nur erst daran gewöhnen, dass du
deine Fans hast. Zumindest nach dem, was allgemein so erzählt wird. Ist schon
okay.“
Sie wandte sich von Delicia ab und
kehrte ihr den Rücken zu, während sie damit begann, ein Geschenk für ihren
Freund zu suchen. In Wahrheit war es nicht okay und sie war immer noch wütend
auf Delicia. Sie konnte nicht verstehen, was so Tolles an ihr sein sollte.
Nathalie fand weder, dass Delicia ausgesprochene Talente hatte und ihre Show
etwas Besonderes oder Einzigartiges gewesen wäre, noch fand sie Delicias Charakter
engelhaft, wie er von Vanessa beschrieben wurde, die gerne Geschichten über die
angeblich beliebte Delicia verbreitete. Nur komisch, dass niemand je von
Delicia gehört hatte. Interessant waren die Geschichten aber allemal. Für
Nathalie war Delicia nichts weiter, als jemand, der ziemlich eingebildet war
und sie mochte sie nicht besonders. Sie gönnte ihr den Ruhm nicht, den sie
ihrer Meinung nach nicht verdient hatte, und sie war wirklich erzürnt darüber,
dass sie auf ihre Party geplatzt war, noch dazu ohne Einladung, und alle um
sich herum versammelt hatte. Es war ihre Party gewesen, nicht Delicias.
Nathalie fühlte sich gekränkt, weil sie das Gefühl hatte, Delicia hätte ihr die
Party kaputt gemacht und die eigentliche Gastgeberin und somit den eigentlichen
Mittelpunkt in den Schatten gestellt. Schließlich beschloss sie, nicht weiter
an Delicia zu denken.
Delicia verließ das Geschäft und
war verärgert. Was bildete sich diese Nathalie eigentlich ein? Die hielt sich
ja für so etwas Besseres. Neidisch war sie, sonst gar nichts. Neidisch auf sie,
weil sie so war, wie Nathalie gerne sein wollte. Das redete sie sich jedes Mal
ein, wenn jemand Delicia nicht bewunderte. Sie war der festen Überzeugung, dass
wenn es jemanden gab, der sich nicht extrem für sie interessierte und ihr
Talent und ihre tolle Persönlichkeit nicht beeindruckend fand, es nur den Grund
haben konnte, dass diese Person von Neid zerfressen war, weil sie gerne so sein
wollte, wie sie. Diese Gedanken bauten ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl
wieder auf, wenn es jemanden gab, der sie nicht anhimmelte. Wer nicht Freund
und Anhänger war, war eben Feind.
Zu Hause stellte Delicia die neue
Engelfigur zu den anderen und warf ihr einen sanften Blick zu. Ihr Vorbild. Mit
dem rechten Zeigefinger strich sie sanft und vorsichtig über die Flügel,
während sie leise sagte: „Ich bin du.“
Ihr Blick fiel auf einen
Bilderrahmen, in dem ein Schwarz-Weiß-Foto von ihr und einem Mann zu sehen war.
Allerdings war es kein echtes Foto, sondern nur eine sehr gute schwarz-weiß Kopie
auf Fotopapier von einer Collage. Wenn man genau hinsah, bemerkte man, dass der
Kopf von Delicia aus einem anderen Foto ausgeschnitten und neben den Kopf des
Mannes geklebt worden war. Kurze Erinnerungen schossen durch ihren Kopf.
Erinnerungen an einen jungen Mannes, der an derselben Uni studiert hatte, auf
der sie jetzt war. Er war Jurastudent gewesen. Nur wegen ihm hatte Delicia
überhaupt angefangen, selbst Jura zu studieren. Sie hatte nur den einen Wunsch
gehabt, ihm nahe zu sein. Er war ihr Traummann. Dessen war sie sich sicher.
Auch wenn sie diesen Mann nicht kannte und fast nichts weiter von ihm wusste,
als wie er aussah, war sie der festen Überzeugung, ihn ganz genau zu kennen.
Alle Eigenschaften, die sie sich von ihrem Traummann vorstellte, projizierte
sie auf ihn und glaubte von ihm, dass er genau so war. Verliebt starrte sie das
Bild an, während sie laut dachte: „Mein Liebling! Wir sind füreinander
bestimmt! Irgendwann wirst du das auch einsehen! Spätestens dann, wenn ich als
Model groß raus komme, wirst du erkennen, dass du mich ebenso liebst, und dann
werden wir heiraten und du wirst mir den Himmel auf Erden bescheren!“
Ihren Freundinnen hatte Delicia
als Geheimnis anvertraut, dass sie mit ihm zusammen gewesen war, für längere
Zeit, bis eine falsche Schlange ihn ihr weg genommen hätte und ihn so benebelt
hätte, dass er selber nicht mehr richtig denken konnte. Jedoch tief in seinem
Herzen würde er immer noch sie lieben und eines Tages zu ihr zurück kommen. In
Wahrheit war sie nie mit ihm zusammen gewesen. Sie hatte auf einer Party drei
kurze Sätze mit ihm gewechselt, als er ihr den Rücken zugewandt und sich
anderen
Weitere Kostenlose Bücher