Der schwarze Fürst der Liebe
Niemand brachte ihn mehr aus der Fassung als Engellin.
Er schrieb: »Du kannst dir nicht vorstellen, was deine wenigen Worte für mich bedeuten. Bitte nimm dir alle Zeit der Welt. Ich warte auf dein Urteil über mich. Rudger«
Er faltete das Blatt, versiegelte es und läutete einem Diener.
Matthias stand mit hängenden Armen in ihrem Quartier und blickte mit schwerem Herzen auf die Uniformen von Mortiferius, die er ausbürsten sollte. Sein Gebieter war so anders, seit dieser Briefwechsel stattgefunden hatte. Es stand ihm nicht zu, zu fragen, woher das Schreiben kam und ahnte, dass es sinnlos war, sich bei dem Kurier nach dem Absender zu erkundigen. Es ging ihn ja auch eigentlich nichts an. Trotzdem nagte die Eifersucht an ihm. Schrieb Mortiferius einer Frau? Der Herr war noch verschlossener als sonst, hatte den Brief nicht einmal vor seinen Augen gelesen. Matthias streichelte den Ärmel einer Uniform.
Er musste sich zusammenreißen und seine Arbeit erledigen. Mortiferius schimpfte nie mit ihm, doch ein vorwurfsvoller Blick war schlimmer als jede Strafe. Am Abend war ihre erste gemeinsame Übungsstunde geplant. Bis dahin musste er die Dienstkleidung gepflegt, und die Stiefel auf Hochglanz geputzt haben.
Die Kleidung konnte er im Quartier reinigen, für die Stiefel musste er jedoch nach unten in den Wirtschaftstrakt. Neben der Küche befand sich die Stiefelkammer. Er seufzte. Bei dieser Gelegenheit würde er sich sein Abendessen aus der Schlossküche holen. Inzwischen kannte er einige der dort arbeitenden Bediensteten näher: Theodor, den brutalen und ewig missmutigen Chefkoch, die Hausdame Mechthild, die Mägde Martha und Bruna und den Küchengehilfen Gabi. Er hasste es, wie Theodor die anderen Hilfen herumschikanierte, beleidigte und prügelte und er wunderte sich, dass dieser mies gelaunte Kerl überhaupt fähig war, derartig wunderschöne und offensichtlich wohlschmeckende Speisen zuzubereiten. Die Dienerschaft bekam natürlich keine Spezialitäten, und er hatte herausgefunden, dass es drei verschiedene Speisepläne gab: Einen für den König und seine Gäste, einen für die Garde und den für die Bediensteten. Standen bei der Palastwache noch gelegentlich Fleisch und Fisch auf dem Speisezettel – für die Angestellten gab es Brot, Käse und Getreidebrei. Er hatte als Mortiferius’ Diener das Glück, dass dieser ihn oftmals mit in den Speiseraum der Wachen nahm. Er saß dann wohl nie mit an dessen Tisch, aber erhielt das bessere Essen.
Seufzend packte er sich zwei Paar Lederstiefel und lief los. Am frühen Abend hielt sich Mortiferius meist in der Bibliothek auf. Er bewunderte dessen Belesenheit, denn er selbst konnte nur leidlich lesen.
Mit den Stiefeln unter den Arm geklemmt, griff er die brennende Öllampe auf dem Brett im Flur, öffnete die Tür der Putzkammer und stellte Lampe mitsamt Stiefel auf den Putztisch. Er suchte im Holzregal an der Wand nach Seife, Fett und Bürste, als er neben dem Regal in der dunklen Ecke jemanden sitzen sah. Zuerst hielt er es für einen weißen Sack, denn derjenige hatte sich ein Tuch über den Kopf gezogen, das er mit beiden Händen umklammerte. Er trat näher und sah, dass das Bündel bebte. Vorsichtig ergriff er den Stoff und zog ihn zur Seite. Der Küchengehilfe Gabi blickte mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm hoch.
Ihm war augenblicklich klar, was wieder geschehen war: Theodor hatte ihn angeschrien, geschlagen oder anderweitig misshandelt. Matthias biss wütend die Zähne zusammen.
»Theodor?«, fragte er. Gabi nickte mit verkniffenen Lippen. Er sah übel aus mit einer rot geschwollenen Wange und seinem vom Weinen verquollenen Gesicht. Er trug nicht seine übliche Küchenmütze, und sein schwarzes Haar stand wirr um seinen Kopf, als hätte er es sich ständig gerauft. Der Junge bot ein Bild des Jammers.
»Hör mal, wenn du dich vor ihm versteckst und er dich sucht, dann gibt’s sicher wieder Schläge«, meinte er, und bereute seine Worte augenblicklich, denn Gabi war zusammengezuckt und kroch erneut in sich hinein. Das war die falsche Art um ihn aufzumuntern.
»Wann hast du Arbeitsschluss?« Matthias erinnerte sich an seine eigene Aufgabe und begann damit, das Leder zu reinigen.
»Erst muss alle Arbeit getan und die Küche wieder blitzblank sein.« Er hatte erwartet eine hohe Knabenstimme zu hören, aber Gabis Stimme klang dunkel und angenehm. Er wird sicher gut singen können, überlegte Matthias und spuckte auf die Stiefel. Jedoch, wenn er Gabi so
Weitere Kostenlose Bücher