Der schwarze Fürst der Liebe
wollte, was er gelernt hatte. Vielleicht konnte der sich so irgendwann gegen Theodor wehren und wurde endlich in Ruhe gelassen.
Mortiferius war mehr als nur gerecht – er war der beste Gebieter, den er sich nur wünschen konnte. Stolz schritt er an seiner Seite in die Exerzierhalle.
Kapitel 56 – Gabriel
Mortiferius saß bequem im Ledersessel der Bibliothek und streckte die Beine ächzend aus. Heulend bliesen die ersten Herbststürme um das Schloss und rüttelten an den bleiverglasten Fenstern. Ein Diener hatte mit besorgter Miene bereits die schweren, roten Samtvorhänge davor gezogen, um noch mehr Wärme im Raum zu erhalten. Nachdenklich schob er das Buch von Homer, die Odyssee, auf seinen Bauch. Was Homer da schrieb, verstand er – fühlte er sich nicht ebenfalls wie auf einer ständigen Irrfahrt? Nun gut, die Residenz in Goldstein war eine ruhige Station in dieser Odyssee. Er hatte Freude an seiner Arbeit als Kommandant der Palastwache, die er nun bereits seit fast einem Jahr ausübte, obwohl er ursprünglich geplant hatte, den Posten lediglich über den Winter auszufüllen. Er lauschte auf den orgelnden Wind. Ja, er war in der Stellung geblieben, weil er dort wirklich etwas bewirken konnte. Er hatte sogar vom König einen Orden erhalten wegen außergewöhnlicher Leistungen, denn der Dienst der Garde klappte reibungslos, die Gardisten waren gut in Form, aufmerksam und pünktlich. Von dicken Wänsten keine Spur mehr. Die sportliche Betätigung und die Kampfübungen zeigten ihre Wirkung. Um das seelische Befinden der Männer zu verbessern, hatte er für sie einen Ausgang alle zwei Wochen beim König durchsetzen können. Nun brauchten sie nicht weiterhin dem Gesinde im Schloss hinterherzusteigen, sondern konnten sich willige Frauen in der Stadt suchen. Das durften sie allerdings mit der Auflage, nicht durch übermäßigen Alkoholgenuss während dieser Ausflüge aufzufallen. Bisher funktionierte das ganz gut.
Er gähnte und klappte das Buch zu. Er war nie mit den Männern gegangen, denn er hoffte immer noch auf Engellin, und sich mit Huren zu vergnügen wäre ihm wie Verrat an ihr vorgekommen. Natürlich war er sich bewusst, dass das dummes Zeug war. Vielleicht würde er niemals wieder etwas von ihr hören, aber er fühlte sich besser so. Im Moment war er schlichtweg müde, denn er hatte mit Matthias gekämpft und diese Ringkämpfe mit ihm wurden zunehmend anstrengender. Der Bursche hatte viel gelernt und stellte inzwischen einen ernstzunehmenden Gegner dar. Nach wie vor war ihr Verhältnis gelegentlich schwierig, jedoch hatte er die Fronten eindeutig geklärt. Er war der Herr und verhielt sich streng, väterlich und ließ keine Intimitäten zu. Dies konsequent durchzusetzen war dennoch nicht ganz einfach. Der Junge liebte und bewunderte ihn nach wie vor und während eines Kampfes war Körperkontakt nicht zu vermeiden. Trotzdem genoss er die Übungsstunden, da Matthias gelehrig und eifrig war und es ihm Spaß machte, seine Fortschritte zu sehen.
Er stand auf, um ins Bett zu gehen, als die schwere Holztür der Bibliothek sich öffnete und die Königin den Raum betrat. Sie stellte inzwischen einen weiteren Meilenstein in seiner Lebensodyssee dar. Sie war seine Gebieterin, und er verstand nach wie vor ihr Verhalten nicht immer und begriff nicht, was sie beabsichtigte. Manchmal beschlich ihn das Gefühl, dass sie mit ihm spielte. Gelegentlich baute sie kleine, süffisante Andeutungen in ihre Sätze ein, die ihn irritierten. Auch hatte sie ihn schon mehrmals wie unabsichtlich berührt. Er war selbstverständlich nicht in der Position, sie deswegen zur Rede zu stellen. Auf der anderen Seite war sie eine Frau, die er wegen ihrer Eleganz, ihrer klugen Art Konversation zu machen und ihrer souveränen Haltung bewunderte. Sie galt als ohne Tadel und ihrem Mann absolut treu. Er verbeugte sich tief.
»Eure Hoheit.« Er schickte sich an, den Raum zu verlassen.
»Ihr wollt schon schlafen gehen? Oder habt Ihr heute Ausgang und geht zu einer Geliebten?« Sie lächelte.
Er stockte. Solche Sätze stimmten ihn ratlos. War sie wirklich interessiert, etwas von seinem Privatleben zu erfahren?
»Ich gehe zu Bett, Majestät. Der Tag war anstrengend.« Er beschloss, den Teil mit der Geliebten unbeantwortet zu lassen.
Da sie weiterhin lächelnd in der Tür stand, konnte er sich nicht an ihr vorbeidrängen. Er kam also nicht um eine weitere Antwort herum. »Ich habe keinen Ausgang und ...«. Sollte er sagen, dass die Frau, die er
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