Der schwarze Fürst der Liebe
Schultern, denn der herbstliche Wind pfiff unnachgiebig unter den Felsen. Sie fror, hatte es aber im Haus nicht mehr ausgehalten. Sie musste vor die Tür gehen und nach Maus Ausschau halten. Er würde dadurch nicht schneller heimkehren, das wusste sie, jedoch nahm es ihr etwas von der drückenden Sorge, wenn sie in den Wald spähte, in der Hoffnung, ihn gleich zu entdecken.
Sie blickte an der Reihe der Hütten entlang und auf die dünnen Rauchfahnen, die sich aus den Kaminen schlängelten. Sie hatte weiteren ihrer ärmsten Patienten erlaubt, sich in den verwaisten Häusern niederzulassen. Die Männer waren krank und geschwächt, deshalb war nur wenig Holz geschlagen worden und der Holz-Vorrat für den Winter begrenzt. Dementsprechend wurden die Feuer klein gehalten. Ein Glück für sie, dass Maus ihr nach wie vor treu zur Seite stand. Er schleppte Stämme aus dem Wald, sägte und spaltete und stapelte den Stall voller Brennholz, der nun leer war, nachdem die Kuh nachts beim Kalben gestorben war.
Es war ein schwarzer Tag gewesen, an dem sie morgens in die Stallung die verendete Kuh gefunden hatte, das Kälbchen halb aus dem Leib hängend. Es war offensichtlich bereits länger tot gewesen und hatte das Muttertier vergiftet. Warum hatte die Kuh nicht geschrien und sie damit geweckt? Ihr war aufgefallen, dass sie manche Nächte schlief wie eine Tote. Vielleicht hatte sie das Tier deswegen nicht gehört. Durch die Vergiftung war das Fleisch beider Tiere ungenießbar geworden und sie hatte einige bittere Tränen vergossen.
Also blieb nur, sich für den bevorstehenden Winter auf das Wildbret aus den Wäldern zu verlassen. Maus war am Morgen aufgebrochen, um sein Jagdglück zu versuchen. Nun dämmerte es bereits, und kein Zeichen von ihm. Ich werde mich erkälten, dachte sie und ging ins Haus. Sie machte sich große Sorgen, denn das, was Maus da trieb, war Wilderei. Es war ihr ein Gerücht von neu eingestellten Jagdaufsehern zu Ohren gekommen, die im Auftrag des Fürsten den Wildbestand schützen sollten. Seitdem betrachtete sie seine Jagdausflüge mit Besorgnis.
Unruhig lief sie in der Hütte umher, in Gedanken, was ihm zugestoßen sein konnte. Kurz entschlossen nahm sie eine Öllampe, entzündete sie und trug sie vor das Blockhaus. Vielleicht würde er so den Weg nach Hause finden. Sie lief hinein, schloss die Haustür und lehnte sich dagegen. Kämpfte mit den Tränen. Was, wenn er nicht wiederkam? Wie sollte sie den Winter überstehen? Ihr Mut sank. Er musste einfach zurückkommen.
Sie zog sich langsam aus und ließ sich auf ihr Lager fallen. Sie vermisste Bartel so. Wo war die glückliche Zeit geblieben, als alle noch auf dem Hof waren? Godeke, Burkhard, die Frauen, Arnest, Volmar und ... ja sogar Rudger.
Es war fast ein Jahr her, seit er ihr Bartels Leichnam gebracht hatte. Nach wie vor verstand sie nicht die alle Zusammenhänge. Die Wut war verschwunden und hatte sich in Verbitterung verwandelt. Sie wusste, dass sie mit ihrem Groll die Sache nicht ungeschehen machen konnte. Grübeleien und ungute Gedanken fraßen nur sie auf – und niemand andern. Von dem Augenblick an, als ich Warrenhausens Haus betreten habe, stand mein Schicksal unter einem schlechten Stern, überlegte sie. Aber war das wirklich so? War nicht die Zeit mit Bartel wunderbar? Sie zerrte eine Pelzdecke zu sich, rollte sie zu einem Bündel und umarmte sie. Bartel war auch so pelzig gewesen, so stark und warm. Sie weinte still ein paar heiße Tränen in das weiche Fell.
»Ich habe jetzt leider keine Zeit mehr für die Kampfübungen.« Gabriel stand vor ihm in dem menschenleeren Speiseraum und blickte ihn bedauernd an. »Weißt du, meine Arbeit ist mir sehr wichtig, und ich muss abends immer die Gedecke für den nächsten Tag vorbereiten. Ich möchte Mortiferius und vor allem die Königin nicht enttäuschen. Verstehst du das?«
Matthias nickte. Verstohlen musterte er Gabriel von der Seite, der sorgfältig Servietten faltete und sie auf einen Tisch legte. Gabi sah nach den vier Wochen, die er ohne Schikane verbracht hatte, bereits wesentlich besser aus. Er war sauber gekleidet, hatte das Haar ordentlich zusammengebunden und Matthias kam es so vor, als ob er zugenommen hatte, was ihm ausgesprochen gut stand. Gabi musste noch gelegentlich in die Küche um Essen zu holen, jedoch ignorierte Theodor ihn seit ihrem Zusammenstoß.
Ob Mortiferius sich den Kerl wohl zusätzlich vorgenommen hatte?, überlegte er. Zuzutrauen war es ihm. Er hatte sich
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