Der schwarze Kanal
der Bundestag eine fraktionsübergreifende Resolution gegen den Antisemitismus beschließt. Oder dass zwei Mitglieder der Fraktion auf einem Hamas-Dampfer gen Gaza mitschippern, der zuvor mit allen denkbaren Verwünschungen gegen den Judenstaat am Kai verabschiedet wurde. Oder Linke-Mitglieder in Bremen einen Aufruf zum Boykott israelischer Waren unterstützen, ohne dass dies nennenswerte Konsequenzen hätte.
Man muss sagen, es ist schon seit längerem eine Eigenart der radikalen Linken, die Juden als Problem zu sehen. In dieser Ecke des politischen Spektrums hält sich bis heute der Glaube, dass die Welt ein friedlicherer Platz wäre, wenn sie sich endlich ein bisschen am Riemen reißen würden. Statt von Juden spricht man als Konzession an den Zeitgeist lieber von Israelis, aber jeder weiß, was gemeint ist.
Auch der linke Antisemitismus kann auf eine beachtliche Traditionslinie zurückblicken. Es ist heute etwas in Vergessenheit geraten, aber bevor sich die Freischärler des revolutionären Kampfs in Deutschland daranmachten, Unternehmer, Politiker und Justizbedienstete umzulegen, nahmen sie sich erst einmal die Überlebenden des Holocaust vor. Die Geburtsstunde des deutschen Guerillakampfs datiert nicht von ungefähr auf den 9. November 1969, also den Jahrestag der Pogromnacht, die eine neue Stufe des Terrors gegen die Juden im Nazi-Reich einleitete. Das erste Anschlagsziel war das jüdische Gemeindehaus in Berlin, in dem ein Vortrupp der RAF eine – glücklicherweise fehlerhafte – Bombe legte, um den «Judenkomplex» zu brechen, wie es dazu in einem Bekennerschreiben hieß. Später standen ein jüdischer Kindergarten auf der Liste, das Büro der israelischen Fluggesellschaft El-Al im Berliner Europacenter, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin, Heinz Galiniski. Dass in den meisten Fällen die Sache glimpflich ausging, lag nicht etwa an plötzlich einsetzenden Gewissensbissen, sondern an der mangelnden Vorbereitung der revolutionären Kader. Seit die RAF die Waffen gestreckt hat, tobt sich die Aggression nur noch verbal aus, was schon einmal ein Fortschritt ist. An den Positionen, in denen sich die Kapitalismuskritik mit Warnungen vor einer finanzmächtigen Israellobby verbindet, hat sich allerdings nichts geändert.
Es gehört zum Spiel, dass die linken Antisemiten selbstverständlich jeden Verdacht des Antisemitismus weit von sich weisen. Wer gegen rechts ist, könne kein Judenfeind sein, so die Selbstentschuldung. Oder wie es der Schriftsteller Gerhard Zwerenz vor Jahren in einem «Zeit»-Artikel festhielt: «Linker Antisemitismus ist unmöglich.» Natürlich reagieren auch die Vertreter der Linkspartei ganz empört auf den Vorwurf, sie hätten etwas gegen Juden. «Unerhört» war der am häufigsten verzeichnete Zwischenruf in der Aktuellen Stunde des Bundestags zum Thema.
Aber vielleicht ist alles in Wirklichkeit auch nur ein großes Missverständnis. Es ist ja durchaus denkbar, dass sich die linke Bundestagsabgeordnete Inge Höger weiter nichts Böses dabei gedacht hat, als sie zusammen mit einer Reihe von Hamas-Sympathisanten auftrat, um auf der «9. Konferenz der Palästinenser in Europa» ein Grußwort zu sprechen. Dass sie dabei einen Palästinenser-Schal trug, auf dem Israel von der Landkarte verschwunden war? Alles nicht so gemeint, wie sie anschließend erklärte: Sie habe einfach nicht «unhöflich» sein wollen, als ihr jemand den Schal umlegte. Außerdem habe Israel ja bis heute «keine Staatsgrenzen definiert» – logisch, dass es dann auch auf einer Karte des Nahen Ostens nichts verloren hat.
Es ist schon eine Crux mit den Juden, sie sind gleich immer so empfindlich. Also, liebe Linkspartei-Mitglieder, ein Rat von dieser Seite: Wie wäre es, ihr hieltet einfach mal für eine gewisse Zeit zu dem Thema die Klappe? Damit würdet ihr dem Land, aber vor allem euch selber einen echten Dienst erweisen.
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Grün glauben, schwarz sehen
Wer nach einer Antwort für die jüngsten Erfolge der Grünen sucht, musste sich nur den Kirchentag 2011 in Dresden ansehen. Von allen ihren Vorfeldorganisationen ist die evangelische Kirche heute die einflussreichste. Alles, was auch die Anhänger der ökologischen Erweckungsbewegung umtreibt, kommt hier zu Sprache und findet Gehör. Natürlich wurde in Dresden für den Frieden gebetet, gegen den Klimawandel und den «Zwang zum Wirtschaftswachstum». Allerdings beließ man es nicht beim Beten. Die moderne Kirche will sich ja
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