Der schwarze Kanal
den Muff unter den Talaren hinwegzublasen, gehört der Verzicht auf das althergebrachte Habilitationsverfahren, das den Nachwuchs über Gebühr am Schreibtisch festhielt. An die Stelle der klassischen Habilitationsschrift traten in vielen Fachbereichen «habilitationsähnliche Leistungen», womit nun schon ein Bündel verstreut publizierter Aufsätze reichte, um als Professor an eine deutsche Universität berufen zu werden. Wer «kumulativ» habilitiert, erspart sich nicht nur Probleme mit Fußnoten.
Die Delegitimierung der alten Ordinarienuniversität diente immer auch dem Ziel, Platz zu schaffen im Stellenplan. Wenn davon die Rede war, die alten Strukturen aufbrechen zu wollen, meinte das vor allem die formalen Hürden, die einen am Aufstieg aus den Niederungen des wissenschaftlichen Betriebs an die Spitze der Fachbereiche hinderten. Als besonders nachhaltige Reform darf in diesem Zusammenhang auch die paritätische Besetzung der Findungskommissionen gelten: Bis heute entscheiden an vielen Hochschulen die im ASTA organisierten Studenten über die Besetzung von Professorenstellen mit, was den unbestreitbaren Vorteil hat, auch diejenigen auf begehrte Lebenszeitstellen zu hieven, deren wissenschaftliches Engagement sich eher politisch manifestierte.
Manchmal ist es doch ganz hilfreich, sich der Vergangenheit zu erinnern – zumal wenn sie noch nicht ganz so vergangen ist. Die gestiegene Bezichtigungsbereitschaft erwächst nicht selten aus einem Manko, das man gerne vergessen machen würde. Empörung wirkt immer auch selbstentlastend.
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Für Dich immer noch: die Fußball
Schon die Frage, wie man die Weltmeisterschaft nennen soll, die 2011 Millionen in ihren Bann zog, ist nicht so leicht zu beantworten. Darf man überhaupt von «Frauen-Fußball- WM » sprechen? Niemand käme schließlich auf die Idee, von einer Männer- WM zu reden. Das scheidet also schon einmal aus, weshalb man am besten auf jede geschlechtsspezifische Zuschreibung verzichtet. Auch das unbedachte Gerede von der deutschen «Frauen-Fußballnationalmannschaft» verbietet sich eigentlich von selbst. «Mannschaft» geht gar nicht, wenn einem die Gleichberechtigung am Herzen liegt. Korrekt ist hingegen die Bezeichnung «Team», wie man den Leserbriefspalten der «taz» entnehmen konnte, in denen seinerzeit besonders hingebungsvoll über die emanzipatorischen Aspekte des Wettkampfs diskutiert wurde. «Frauschaft» wäre eine mögliche Alternative, bleibt aber wohl chancenlos, weil nach übereinstimmendem Votum dann doch nicht weltläufig genug.
Bis zum Ausscheiden des deutschen Teams lief eigentlich alles prima: Die Stadien waren voll, die Quoten glänzend, und auch das Wetter spielte halbwegs mit. Aber so können das natürlich nur Leute sehen, für die allein die Freude am Spiel zählt, denn selbstverständlich ging es um weit mehr als um Tore. Glaubt man den fortschrittsgesinnten Kräften im Land, war die WM ein Gradmesser dafür, wie weit wir mit der Emanzipation gekommen sind beziehungsweise welchen Weg wir noch vor uns haben.
Man muss nur einmal in die mit einem Grußwort der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth versehene Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung schauen, um die wahre Bedeutung dieses Großereignisses zu erkennen. Der Aufstieg des Frauenfußballs von einer Randsportart zu einem «festen Standbein der heimischen Teamsportarten» ist danach nicht weniger als eine «wichtige kulturelle Verschiebung in den Geschlechterbeziehungen auf globaler Ebene», ja mehr noch: der endgültige «Beweis für den Triumph des Gleichheitsfeminismus». Kein Wunder also, dass selbst der Schriftzug auf dem Trikot unserer Spielerinnen Anlass zu Debatten darüber gab, ob die Designer dafür die Schrift «Comic Sans» gewählt haben: Die gilt in der Branche angeblich als besonders hässlich, was als versteckte Abwertung gedeutet wurde.
Die Krux am politisch korrekten Fußball ist der erweiterte Wettbewerbsgedanke. Weil die Frauen nicht nur als Sportlerinnen auf dem Platz stehen, die möglichst viele Treffer erzielen sollen, sondern auch als «Aktivistinnen» einer «emanzipatorischen Bewegung», wie es bei den Grünen hieß, konnte der Sieg erst erreicht sein, wenn sie genauso beachtet und gefeiert wurden wie ihre männlichen Konkurrenten bei der WM im eigenen Land 2006. Mindestens so wichtig wie das Torverhältnis war dabei die Einschaltquote; als eigentlicher Erfolg galt nicht die Gruppenführung, sondern der Marktanteil bei den
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