Der schwarze Kanal
Zuschauern. Der lag bis zur Niederlage im Viertelfinale bei sensationellen 50 Prozent, womit geschlechtspolitisch schon mal Entwarnung gegeben werden konnte (auch wenn sich natürlich fragen lässt, was es für den Stand der Emanzipation in Deutschland wohl bedeuten mag, dass überdurchschnittlich viele Männer ab 60 vor dem Fernseher hocken, wenn das deutsche Frauenteam im Stadion aufläuft).
Der Feminismus hat sich nie wirklich entscheiden können, was er vom Geschlechterunterschied halten soll. Einerseits sind seine Vertreterinnen immer ängstlich bemüht, jede geschlechtsspezifische Zuschreibung in Abrede zu stellen, die sich aus der biologischen Differenz ergibt. Wer darauf hinweist, dass Mädchen schon im Kindergarten andere Interessen verfolgen als Jungs, wird sofort auf den bestimmenden Einfluss von Erziehung und Umwelt verwiesen. Anderseits hält sich bis heute die romantische Vorstellung, dass die Welt irgendwie ein besserer und friedvollerer Ort wäre, wenn die Frauen in ihr mehr zu sagen hätten. Keine Diskussion über die Quote kommt ohne die Bemerkung aus, dass Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte kreativer und profitabler seien. Selbstredend darf auch bei der Befassung mit dem Fußball nicht der Hinweis auf die weibliche Solidarität im Kader fehlen, die zu einem kreativeren und eleganteren Spiel führe.
Wo das Anderssein als Problem begriffen wird, gehört es zum guten Ton, über offensichtliche Besonderheiten hinwegzusehen, deren Erwähnung als Diskriminierung verstanden werden könnte. Das hat selbst die Fifa begriffen, weshalb Ordner vor dem Spiel Brasilien gegen Australien gleich ein Spruchband einkassierten, auf dem der Satz zu lesen war: «Fußball ist alles – auch lesbisch.» Aber halt, das war auch nicht okay. Sofort hieß es, der Fußballverband habe ein Problem mit der gleichgeschlechtlichen Liebe, worauf sich die Verantwortlichen umgehend für den «Fehler» entschuldigten.
Man sieht, es ist wirklich nicht einfach mit der Gleichberechtigung, man kann da echt viel falsch machen. Vielleicht sollte man zur Abwechslung mal nicht über Fortschritt, Frauenrechte und den Weltfrieden nachdenken, sondern künftig einfach nur Fußball schauen. Das wäre ziemlich emanzipiert.
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Warum Steuersenkungen jetzt richtig sind
Mit welcher Meinung macht man sich in Deutschland ganz schnell unmöglich? Ein vorsichtiger Einspruch gegen die Energiewende? Schlimm. Ein schüchternes Plädoyer für die ungeliebte Vorratsdatenspeicherung? Noch schlimmer. Aber wohl nichts stellt einen im öffentlichen Diskurs so verlässlich ins Aus wie der Versuch, der von der Regierung ins Auge gefassten Steuersenkung etwas abzugewinnen. Steuersenkung ist ganz furchtbar – wer so etwas gut findet, gilt als politisch unzurechnungsfähig.
Bei keinem Thema sind sich die Großkommentatoren deutscher Leitmedien so einig wie in ihrer Ablehnung der Entlastungspläne. Wenn es noch eines Belegs bedurft hätte, dass diese Regierung sofort abgewählt gehört, dann ihr Vorhaben, irgendwann im Jahr 2013 den Zugriff auf das Einkommen der Bürger um einen noch nicht genau bestimmten Betrag zu beschränken. Von sechs Milliarden Euro pro Jahr ist die Rede, es könnten aber auch weniger werden, so genau weiß es noch keiner. Gründe, warum man die Steuern nicht senken kann, gibt es immer, da muss man nicht weit suchen.
Dabei ist schon der Begriff Steuersenkung genau besehen irreführend. Tatsächlich geht es eher darum, die nächsten Steuererhöhungen auszugleichen, die durch Inflation und Progression ins Haus stehen, ohne dass sich an den Sätzen irgendetwas ändert. Wenn man der Koalition in dieser Angelegenheit einen Vorwurf machen wollte, dann doch wohl eher, dass sie für 2013 eine Entlastung verspricht, die sie schon in ihrem Koalitionsvertrag 2009 vereinbart hat. Aber so darf man die Sache in den sozialökonomisch versierten Vierteln selbstverständlich nicht sehen. Jeder Euro mehr für den Staat ist schließlich gut angelegt, da besteht ausnahmsweise mal Konsens, und zwar von links bis rechts.
Beziehungsweise mittlerweile heißt es, wir seien zu verschuldet, um uns Steuersenkungen leisten zu können. Überall ist von der Vordringlichkeit einer soliden Haushaltsführung die Rede. Das klingt ja auch besser als der schnöde Hinweis, dass man mit dem Geld nicht auskommt, welches man den Bürgern abnimmt. Irgendwie ist nie die Zeit, die Steuern zu senken. Entweder dem Staat fehlt gerade
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