Der schwarze Kanal
deutschen Politik äußert. Jeder Künstler weiß schließlich, was er seinem Publikum schuldig ist. Von der Bundeskanzlerin hält er nicht viel, wie man bei dieser Gelegenheit dann erfährt. Er findet, dass sie in der Euro-Krise viel zu sehr aufs Geld achtet und sich insgesamt zu zögerlich zeigt, den krisengeschüttelten Nachbarn unter die Arme zu greifen. Überhaupt scheint Soros zum Ersparten anderer Leute ein eher ungezwungenes Verhältnis zu haben, aber das ist in seiner Branche nicht unüblich. 2010 kam er extra nach Berlin, um den Deutschen den Sparkurs auszureden. Die Unternehmen müssten endlich die Löhne erhöhen, damit die Menschen mehr Geld zum Ausgeben haben, erklärte er bei dieser Gelegenheit, und der Staat solle mit Schulden weiter die Wirtschaft ankurbeln. Es war ziemlich exakt die Art von Forderungen, die auch auf jedem Gewerkschaftskongress für Beifall sorgen. Dass Soros die Bundesregierung inzwischen ermahnt, die Schulden der Länder zu übernehmen, die genau diese Politik in die Krise geführt hat, ist da nur folgerichtig.
Man weiß nicht, worüber man mehr staunen soll: dass Fonds-Manager wie ver.di-Vertreter reden – oder über den andächtigen Ernst, mit dem das Publikum an den Lippen eines Wall-Street-Milliardärs hängt. Was Soros sich bei seinen Empfehlungen denkt, ist nicht so schwer zu erraten. Auch der Spekulant braucht das Geld des Staats, derzeit mehr denn je, das verbindet ihn mit dem Hartz- IV -Empfänger. Eher rätselhaft bleibt, warum ein Mann als Kronzeuge wider den Kapitalismus verehrt wird, der seinen Anlegern eine Rendite verspricht, von denen jeder normale Kleinsparer nicht einmal zu träumen wagt. Nur wenige Tage nachdem Soros sein Herz für die Wall-Street-Protestler entdeckt hatte, bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte übrigens ein französisches Urteil wegen Insiderhandels, gegen das Soros seit Jahren ankämpft. Das war den meisten Zeitungen, die sonst so große Stücke auf den Großinvestor aus New York halten, allerdings nur eine kleine Meldung in ihren Wirtschaftsteilen wert.
Das eigentlich Ärgerliche ist, dass die Linke Leute wie Soros so billig davonkommen lässt. Auch bei uns gibt es ja den Vertreter dieser Spezies des Linksmillionärs, dessen Namen man unter jeder Unterschriftenliste findet, wenn es um die gute Sache geht. Schade, dass niemand ernst macht und diesen Leuten wirklich die Hälfte ihres Vermögens abnimmt. Aber dann würde die Zahl derjenigen, die für sich selber höhere Steuern fordern, mutmaßlich dramatisch zurückgehen. Das wäre für das Politische-Unterschriften-Gewerbe ein Verlust, den man dort lieber nicht riskieren will.
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Anti-Burnout-Terrorismus
Es hilft nichts, man muss es einmal sagen: Auch der Linksextremismus war in Deutschland schon in besserer Verfassung. Was ist das für ein Kinderkram, Plastikflaschen mit Benzin zu füllen und diese dann im Berliner Hauptbahnhof neben das Gleis zu stellen, anstatt sie wie jeder vernünftige Mensch zum nächsten Supermarkt zu tragen? Gut, bei Leuten mit empfindlich eingestelltem Moralpegel macht auch das Eindruck, wie man lesen konnte. Während man sich rechts der Mitte schon vor einer neuen RAF fürchtete, sah man auf der Linken in den Flaschen die Vorboten eines neuen revolutionären Bewusstseins. Eine «stilistisch gelungene Abhandlung» über das Leiden am Kapitalismus erkannte die «taz» pflichtschuldig in dem zugehörigen Bekennerschreiben. Jakob Augstein zog in seiner Kolumne die Linie von den Brandsätzen, die nicht richtig brennen wollten, zum «kommenden Aufstand», diesem Manifest des angekündigten Widerstands, das immer herhalten muss, wenn in einer europäischen Großstadt ein paar Jugendliche über die Stränge schlagen.
Zunächst einmal scheinen die Berliner Pyromanen ihre Nase jedenfalls viel zu tief in die gängige Miriam-Meckel-Betroffenheitsliteratur gesteckt zu haben. Wenn man ihren im Netz abgelegten Selbstbezichtigungstext richtig versteht, wollten sie mit ihrer Aktion ein Zeichen gegen «Leistungsdruck und Arbeitszwang» setzen, unter dem jeden Tag in Deutschland Menschen «zerbrechen». «Wir haben diese Metropole in einem bescheidenen Umfang in den Pausenmodus umgeschaltet», heißt es in dem Brandschreiben. «Die Stadt hält den Atem an, verlangsamt ihr Tempo, vielleicht hält sie inne. Entschleunigung.» Das hätte Frau Meckel auch nicht schöner sagen können, womit die Autoren als erste Anti-Burnout-Terroristen in
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