Der schwarze Kanal
sich in die Reihe der «Provinz-Außenpolitiker» und «Provinz-Ökonomen», deren «fachliche Mäkeleien» nach Ansicht des Altkanzlers einen erschreckenden «Mangel an strategischer Einsicht» beziehungsweise einen gefährlichen « DM -Nationalismus» zeigten (andere Provinzler waren in wechselnder Folge Horst Köhler, Theo Waigel, Edmund Stoiber, Rudolf Augstein).
Es kommt öfter vor, dass Menschen partout auf einem Feld reüssieren wollen, für das sie eher unbegabt sind. Schmidt setzte immer schon den größten Ehrgeiz darauf, sich der Öffentlichkeit als Wirtschaftsweiser zu empfehlen, dabei lagen seine Fähigkeiten erkennbar woanders. In den achteinhalb Jahren seiner Kanzlerschaft vervierfachten sich die Schulden des Bundes von 80 Milliarden auf 320 Milliarden D-Mark, das hat kein anderer deutscher Regierungschef in einem vergleichbaren Zeitraum hinbekommen; auch die Arbeitslosigkeit erreichte Rekordhöhen. Der Historiker Gérard Bökenkamp kommt in seiner «Geschichte der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik» der Bundesrepublik im Fall Schmidt zu dem Befund: «In der Frage der Devisenbewirtschaftung lag er falsch, seine Finanzpolitik war ein Desaster, seine Konjunkturpolitik blieb wirkungslos, seine Aussagen zu Inflation und Stabilität waren wechselhaft.» Schmidt hat sich durch solche Rückschläge nie beirren lassen. Der Welt- und (wie man seit der Bambi-Verleihung letztes Jahr sagen darf) Millenniums-Ökonom wusste nicht nur immer ganz genau, warum ihm niemand anders das Wasser reichen konnte, er ließ die Welt darüber auch nie im Unklaren. Darin ist er sich ebenfalls treu geblieben, wie seine Ausfälle gegen die Bundeskanzlerin zeigen.
Wir hören jetzt wieder, dass es an der Zeit sei, das Primat der Politik gegen das Primat des Ökonomischen durchzusetzen. Wenn damit gemeint sein sollte, die wirtschaftliche Vernunft außer Acht zu lassen, kann man nur sagen: Das hatten wir schon. Der Euro ist ein schönes Beispiel, was geschieht, wenn man auf hehre Appelle vertraut und davon absieht, auf welche Anreize Menschen in Wirklichkeit reagieren. Daran ändert auch nichts, dass der Wechselkurs zum Dollar relativ stabil ist, wie die Euro-Freunde nicht müde werden zu betonen. Diese Stabilität ist im wahrsten Sinne geliehen. Sie gründete in der Vergangenheit auf der Annahme, dass die Deutschen alles für den Erhalt der Gemeinschaftswährung tun werden. Bislang haben die Bundesbürger diese Erwartung erfüllt. Man wird sehen, ob sie künftig auch bereit sind, für ihre notleidenden Nachbarn die Goldvorräte herzugeben oder das Ersparte zu entwerten. Sollten sie sich verweigern, ist auch die vielgelobte Stabilität dahin.
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In der Verharmlosungsfalle
Wie man sich doch in Menschen täuschen kann. Nehmen wir Kristina Schröder. Bislang hat sich die Bundesfamilienministerin der breiteren Öffentlichkeit vor allem durch ihren Einsatz für mehr Krippenplätze und die Fortzahlung des Elterngelds empfohlen. Dazu kamen die Nachrichten aus dem Wochenbett: Nur zehn Wochen nach der Entbindung war die junge Mutter schon wieder an ihrem Arbeitsplatz, das muss man wohl vorbildlich nennen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet diese emanzipierte Frau dafür mitverantwortlich ist, dass der Rechtsextremismus in Deutschland blüht und wir uns in der eigenen Republik nicht mehr sicher fühlen können.
Aber genauso ist es, jedenfalls wenn man der «Tagesschau» glauben darf. «Wenn wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben wollen, in dem alle Menschen (…) auf die staatlichen Organe vertrauen können, dann brauchen wir Politiker, die Opfer ernst nehmen», donnerte es in einem Kommentar auf tagesschau.de. «Wenn wir eine Gesellschaft anstreben, in der jeder individuelle Lebensentwurf, vom schwäbischen Häuslebauer bis zur Drag-Queen im Kreuzberger Kiez, akzeptiert wird, dann brauchen wir verantwortungsvolle Politiker, die nicht aus ideologischer Geschwätzigkeit heraus Gräben aufreißen, wo gar keine sind. Kristina Schröder ist dieser Verantwortung nicht gewachsen.»
Nun ist Geschwätzigkeit normalerweise kein hinreichender Grund für eine Abmahnung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Familienministerin ist auch nicht direkt für die staatlichen Organe verantwortlich, die den Schutz des Rechtsstaats gewährleisten sollen. Bislang fallen die Sicherheitsbehörden noch immer in die Zuständigkeit des Bundesinnenministers. Dafür untersteht ihr die Förderung all der Beratungsprojekte,
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