Der schwarze Korridor
eine Warnung.
Oder besser, seine Reaktion auf den Traum war die Warnung. Morgen würde er wieder das landwirtschaftliche Programm studieren und sich, statt nur für sich selbst, für andere Dinge interessieren. Erfrischt kehrt er in seine Kabine zurück, sucht das Lehrprogramm für den nächsten Tag aus, dann geht er ins Bett.
Kapitel 12
Obwohl er allein an Bord ist, erfüllt er seine Pflicht, als schaue ihm die ganze Mannschaft zu.
– Als kleiner Junge schwamm ich durch klare kalte Flüsse zwischen Pinienhainen, denkt er.
Zur Zeit der täglichen Konferenz sitzt er am Kopfende des Tisches und überdenkt die wenigen Ereignisse und die vor ihm liegenden Aufgaben.
Er ißt zu den normalen Essenszeiten, bedient sich der üblichen Fachausdrücke für alle Belange der Rakete und erstellt förmliche Berichte. Der einzige Bruch der Routine ist sein rotes Logbuch, das er in seinem Schreibtisch hat.
Er macht die üblichen Gänge in den Tiefschlafraum (scherzhaft ›Mannschaftslagerraum‹ genannt, als die anderen zum ersten Mal an Bord kamen).
Als junger Mann stand ich auf Hügeln und betrachtete die dräu enden Himmel. Ich schrieb gräßlich sentimentale, traurige Ver se, bis es die anderen Jungem rauskriegten und mich so damit aufzogen, daß ich es sein ließ.
Ich wurde statt dessen Geschäftsmann.
Er drückt einen Knopf und löst die Türsicherung.
Ich wüßte gerne, was sonst aus mir geworden wäre. Kunst führt zum Chaos. Was für die Kunst taugt, taugt nicht fürs Geschäft.
Er bleibt beim ersten Behälter stehen und betrachtet das friedliche Gesicht seiner Frau.
*
Frau Ryan reinigte die Wände ihres Appartements, Sie benutzte die vorgeschriebene Flüssigkeit. Während des Putzens achtete sie darauf, daß ihr Gesicht stets dem Fenster abgekehrt blieb. Als sie fertig war, brachte sie die Reinigungsflüssigkeit auf ihren Platz in der Küche zurück.
Dann holte sie tief Luft und holte eine Dose von einem Regal. Auf der Dose stand: »Pflanzendünger«.
Sie hustete und hielt sich die freie Hand vor den Mund.
Sie ging in den Flur und goß das Apfelsinenbäumchen, kehrte zurück zu den farbigen Wänden im Wohnraum, den teuren bequemen Plastiksesseln, dem Wand-zu-Wand-Fernsehen.
Sie stellte das Fernsehgerät an.
Sofort war die dem Fenster gegenüberliegende Seite von wirbelnden, tanzenden Figuren belebt. Frau Ryan schaute ihnen zu und entspannte sich ein wenig. Sie bemerkte, daß sie noch die Dose in der Hand hielt und stellte sie auf den Tisch. Sie beobachtete die Tänzer. Ihre Augen wanderten wieder zu der Dose, die immer noch auf dem Tisch stand. Sie setzte sich, stand wieder auf.
Frau Ryans frisches vierzigjähriges Gesicht verzog sich, ihre Lippen bewegten sich, sie machte alles in allem den Eindruck eines erschreckten Kindes, das jeden Moment in Tränen ausbrechen würde.
Sie nahm die Dose und ging zum Fenster. Mit halb geschlossenen Augen suchte sie den Knopf, der die Jalousien automatisch öffnete. Sie besprühte die Pflanzen auf dem Fensterbrett, brachte die Dose zurück in die Küche und stand eine Weile in der Küchentür und starrte in das dunkle Wohnzimmer, das nur von dem Geflimmer des Fernsehens erleuchtet wurde.
Dann lief sie durch das Zimmer und ertastete mit der linken Hand den Schalter für die Jalousien.
Im Fernsehen gab es gerade eine aufregende Szene, und sie sah unbeweglich zu.
Dann betätigte sie den Knopf und sprang, so schnell sie konnte, vom Fenster weg, als die Jalousien hoch fuhren und das Zimmer mit Tageslicht überflutet wurde.
Sie eilte in die Küche und stellte im Vorübergehen den Fernseher ab.
Sie machte sich Kaffee und setzte sich, tun ihn zu trinken, an den Küchentisch.
Es war sehr still.
Die leeren Fenster starrten auf die ebenfalls leeren Fenster des gegenüberliegenden Blocks.
Nur wenige Autos waren unterwegs.
*
Frau Ryan saß mit erhobener Kaffeetasse erstarrt wie eine Pup pe, deren Motor mitten in einer Bewegung stehengeblieben war.
Das Telefon klingelte.
Frau Ryan rührte sich nicht.
Erneut läutete das Telefon.
Sie seufzte und langte nach dem Telefonhörer, der in Kopfhöhe an der Küchenwand hing.
»Ich bin’s, Onkel Sidney«, sagte die Stimme auf dem Bildschirm über ihrem Kopf.
»Oh, du bist’s, Onkel Sidney«, sagte Frau Ryan. Sie fuhr ein Stück zurück und sank auf den Küchenstuhl.
»Komm nur nicht zu nahe«, sagte Onkel Sidney.
»Ich habe dich doch gebeten, nicht tagsüber anzurufen, wenn keiner zu Hause
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