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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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um die Freuden der Hexerei für sich selbst zu entdecken.
    Gleichwohl wurde der Knabe mit dem listigen Blick, der mutmaßlich einzige Erbe des Westreiches, feierlich mit dem Diadem und dem kaiserlichen Purpur zum Kaiser gekrönt. Tatsächliche Herrscherin der westlichen Welt wurde seine Mutter.
    ***
    Für etliche Jahre herrschte nun ein ungewöhnlicher, seltsamer Friede im Reich. Nur zu einem einzigen, umso erstaunlicheren Verlust war es wie aus heiterem Himmel gekommen: Die Vandalen hatten die Kornfelder Nordafrikas erobert, und jeder Versuch einer Rückeroberung schien aussichtslos.
    Im glühend heißen Sommer des Jahres 429 stand plötzlich die Barbarenküste in Flammen. Bei den räuberischen Vandalen handelte es sich um ein germanisches Reitervolk der Steppe, das sich zuletzt in Südspanien niedergelassen hatte. Sein ungezügelter Appetit auf Eroberungen war jedoch nach wie vor groß. Innerhalb von nur einer Generation hatten sie sowohl die Kunst des Schiffsbaus als auch die des Segelns von den eingeborenen spanischen Untertanen erlernt. Von ihrem Königreich Vandalusien aus – oder Andalusien, wie die Berber es nannten – überquerten sie die Meerenge, überrannten die Provinz Mauretanien und fielen mit Feuer und Schwert in die wertvollen Kornfelder Numidiens und Libyens ein.
    Rom wurde von diesem Angriff völlig überrascht. NurAëtius schien klar zu sein, wie schlimm dies tatsächlich war. Man erzählt sich, er sei auf einen Stuhl gesunken, nachdem er die Nachricht erhielt, aschfahl im Gesicht, habe mit der rechten Hand die linke umklammert und einen halben Tag lang kein Wort mehr gesagt.
    Der kaiserliche Hof, die wohlhabende Kaste der Senatoren und die fröhlich plappernde Volksmenge Roms setzten ihr munteres Treiben fort, als sei nichts geschehen. Niemand schien die große, blutschwarze Wolke, die da ihren Horizont zu verdüstern sich anschickte, bemerken zu wollen.
    Im folgenden Jahr schwärmten die Vandalenheere nach Osten in den Maghreb aus, um die «Tore der aufgehenden Sonne» zu erobern. Stadt um Stadt fiel ihrem Wüten zum Opfer. In klaren Nächten, hieß es, konnte man die afrikanische Küste im Feuerschein sehen, so als ob von Tingis bis Leptis Magna überall riesige Leuchtfeuer brannten.
    Im Sommer 432 belagerten sie die Stadt Hippo Regius. Im dritten Monat dieser entsetzlichen Belagerung, als hungernde Menschen einander bereits wegen einer Ratte töteten, ließ eine der großen Stimmen der Kirchengeschichte, Sankt Augustinus von Hippo, über den Ruinen einer Welt, die er so geliebt wie gefürchtet hatte, ihr Leben. Er starb im Alter von 75   Jahren am achtundzwanzigsten August. Ein paar Wochen später wurde Hippo eingenommen und beinahe bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Wie durch ein Wunder wurden Augustinus’ Schriften und seine persönliche Bibliothek gerettet: zweihundertundzweiunddreißig Bücher, außerdem Abhandlungen und Kommentare, Episteln und Homilien – und die unsterblichen Werke der
Bekenntnisse
und
Vom Gottesstaat
.
    Die Jahre vergingen. Die erobernden Vandalen nahmen Nordafrika Stück für Stück in Besitz, und der junge, zögerlicheKaiser Valentinian – er zögerte. Aëtius mühte sich mit der Rückeroberung zu Lande und zu Wasser, zunächst eifrig, dann verbissen. Als Galla Placidia dem General beisprang und ihren Sohn ebenfalls auf dessen Linie einzuschwören versuchte, lehnte sich der schwache, paranoide Heranwachsende gegen sie auf und nannte beide «Tyrannen». Er weigerte sich, auch nur irgendetwas für Afrika zu tun, und schickte Aëtius ins Exil.
    Nicht zum letzten Mal fand Aëtius Zuflucht am Hof der Visigoten in Tolosa. Valentinian schloss einen unehrenhaften Frieden mit Geiserich, dem zornigen, ausschweifend lebenden König der Vandalen, der einmal als Prinz in Geiselhaft am römischen Hof gelebt hatte, zusammen mit seinem jüngeren Bruder Berich. Dieser war bereits vor langer Zeit bei einem «Unfall» ums Leben gekommen.
    Geiserich war wild und blutrünstig und ergötzte sich immer an der Zurschaustellung äußerster Grausamkeit und Verderbtheit. Ganz besonders liebte er es, Frauen zu sehen, die zum Geschlechtsverkehr mit Tieren gezwungen wurden, in einer falsch verstandenen Darstellung antiker Mythen. Ein wilder Bulle, der Zeus verkörpern sollte, besprang etwa eine nackte Sklavin, die «Europa», die an ein Wagenrad gefesselt war. Vielleicht glaubte Geiserich, durch diese Art von «Belustigung» seine Wertschätzung mit der höherstehenden Kultur der

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