Der schwarze Magier
Einschreibung das baccalaureat abgelegt. Nach zwei Jahren legte er die Magisterprüfung ab. Doch er wollte nicht als Magister lehren, sondern ein Fachstudium anschließen. Da es keine eigene medizinische Fakultät gab, entschied er sich für die Jurisprudenz und Philosophie.
Schnell hatte Rupert Anschluss an die hiesige Studentenschaft gefunden. Er schlief im Dormitorium eines ehemaligen Klosters, das noch unter kirchlicher Obhut stand, nun zur Burse umfunktioniert worden war und den minderbemittelten Studierenden Obdach und Kost gewährte. Zum Teil fanden auch die Vorlesungen in den Räumen des alten Klosters statt, die von der Universität übernommen worden waren. Die Studenten bezahlten die Magister für ihre Vorlesungen, die die Freiheit der Niederlassung als Lehrkräfte besaßen. Für viele reiche Kaufleute der Stadt gehörte es zum guten Ton, die weniger bemittelten Studenten finanziell zu unterstützen. Spenden flossen an die Studentengemeinschaften für Stipendien, und neben Kost und Logis fielen noch Mittel zum Kauf von Pergament, Schreibgeräten und Tinte ab.
Die wenigsten Studenten besaßen eigene Bücher, dazu waren sie viel zu kostbar. Manche Lehrer brachten ihre eigenen Bücher mit, um daraus vorzulesen. Den Magistern wie Studenten war es aber auch gestattet, aus der Bibliothek Bände auszuleihen, um sie für die Vorlesungen zu verwenden, ansonsten konnten die Bücher in den Bibliotheksräumen gelesen werden.
Die Studenten waren ein bunt zusammengewürfeltes Volk aus verschiedenen Ländern. Allen war Latein als gemeinsame Sprache vertraut, denn die Vorlesungen fanden überwiegend in Latein statt. Doch man sprach auch theodisk, provenzalisch, italienisch – und griechisch. Einer von Ruperts Kommilitonen stammte aus Byzanz und er war gern bereit, Rupert das Griechische beizubringen. Mit diesem Können eröffnete sich Rupert eine neue Welt, die Bücher der griechischen Philosophen. Saß er nicht in den Vorlesungen der Magister, hielt er sich in der Bibliothek auf oder in dem wunderschönen Garten dahinter, um sich in die geheimnisvollen Werke zu versenken.
Nicht die theologischen Schriften interessierten ihn, sondern die naturwissenschaftlichen. Und von diesen wiederum die Schriften griechischer und arabischer Gelehrter. Besonders fasziniert war er von den Büchern eines arabischen Mediziners namens Avicenna, dessen Lehren auch in den medizinischen Vorlesungen verbreitet wurden. Auch er kannte die Dreiheit der Medizin, das Gleichgewicht von Körper und Seele herzustellen, die pflanzliche, die blutige und die magische Kunst. Die pflanzliche Kunst beherrschte Rupert durch die druidische Lehre, ebenso die magische. Ihn interessierte besonders die blutige Kunst. Doch zu seiner Enttäuschung musste er vernehmen, dass es unter der Würde eines Arztes sei, mit eigenen Händen zu operieren. Die Behandlung von Wunden fiel in die Verantwortung der niederen Bader und Feldschere, innere Leiden wurden mit Kräutern und Medikamenten gemildert und ansonsten lag es in Gottes Hand, ob ein Patient seine Krankheit besiegte oder starb. Trotzdem gab es, auch auf Druck vieler Studenten, sehr interessante Vorlesungen zur Behandlung von Verletzungen, zur Diagnostik von Krankheiten und zur Wechselwirkung von Körper und Seele. In Praktika, die sie in Hospizen durchführten, lernten sie die medizinische Behandlung der Krankheitssymptome. Die Ursachen der Krankheiten jedoch lagen in Gottes Hand.
Einer, der sich wie Rupert für die medizinischen Vorlesungen brennend interessierte, war Reinaldo, der Spross eines italienischen Adeligen, zu dessen Lebensmaxime eine gute allgemeine Ausbildung in Schrift, Literatur und Naturwissenschaft gehörte und als Krönung das Studium der Philosophie. Reinaldos Familie war vermögend, sie stammte aus Venedig und handelte mit Seidenstoffen aus dem Orient. Reinaldo hatte immer Geld, gute Kleidung und eine saubere Unterkunft.
»Komm, zieh mit in meine Kammer«, lud er Rupert ein.
»Dort können wir gemeinsam studieren. Die Burse ist doch unserer nicht würdig.«
»Es ist deiner vielleicht nicht würdig«, widersprach Rupert. »Mir macht es nichts aus.« Er wollte sich nicht gern in die Abhängigkeit eines anderen begeben. Außerdem befürchtete Rupert, dass sein Interesse nicht ganz die Billigung seiner Mitstudenten finden würde. Denn im Gegensatz zu den anderen jungen Männern übte Rupert mit stupider Geduld das Sezieren und die Resektion von Schweinen. Die Nähte, die er setzte, waren der
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