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Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier
Autoren: Susan Hastings
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nicht. Die Angst vor dem Tod ist nur den Menschen zu Eigen, die nicht wissen, dass der Tod kein endgültiges Ende des Daseins ist. Du weißt, dass es nach dem Tod weitergeht, nicht in dieser Lebensform, sondern in einer anderen. Es ist nicht so, wie die Christen glauben, dass man nach dem Tod entweder in den Himmel oder in die Hölle kommt. Alles dummes Geschwätz, damit der Mensch aus Angst vor dem, was nach dem Tod kommt, im Sinne des Glaubens und damit nach dem Willen der Kirchenmächtigen lebt. Komm mit, ich werde es dir erklären.«
    Langsam traten sie aus dem Wald auf die Wiese hinaus. Sie folgten dem Bach. Der Alte zeigte mit seinen knorrigen Fingern auf das kristallklare Wasser, das über die großen Steine im Bachbett sprudelte. »Siehst du den Bach? Das Wasser springt wild und ungestüm wie ein Fohlen von Stein zu Stein, ändert ständig seine Richtung, überschlägt sich, verwirbelt, dreht sich im Kreis. Es sucht noch nach seinem Weg, ist orientierungslos.
    Doch der Bach nimmt immer mehr Wasser in sich auf. Es fließt ihm aus den Wiesen und Wäldern zu, der Regen bringt es herab. Und der Bach schwillt an, wird breiter, ruhiger, sein Lauf nimmt Gestalt an. Es ist, als wenn der Bach die Weisheit des Lebens in sich aufnimmt, und damit wird sein Weg bestimmter. Der Bach wird zum Fluss. Mächtig, erhaben, majestätisch fließt er nun dahin, muss sich nicht mehr winden und äußeren Zwängen beugen. Irgendwo am Horizont mündet er ins große Meer. Der Fluss stirbt. Doch das Wasser geht nicht verloren. Es ergießt sich in das Meer, verbindet sich mit dem anderen Wasser. Es ist ein gewaltiges Potential, die Lebensweisheit aus allen Flüssen der Erde. Und dann steigt Nebel aus dem Meer auf, wandert zu den Wolken. Die treiben übers Land, senden ihre nasse Fracht hernieder. Die Lebensweisheit wandert zu einem neuen Bach, der sie aufnimmt. Aus dem Bach wird ein Fluss… Verstehst du?« Rupert nickte schweigend. »Das Wissen geht nicht verloren, nur weil ein Mensch stirbt. Sein Geist, sein Wissen geht in einen anderen Geist über. Du warst ein Jüngling, als du zu mir kamst. Ungestüm, ziellos, du kanntest deinen Weg nicht. Seit du hier lebst, nimmst du die Weisheit der Alten in dir auf wie der Bach das Wasser. Langsam, aber stetig verbreiterst du dein Wissen. Dein Geist schwillt an wie der Fluss, dein Weg wird zielstrebiger. Du wirst niemals aufhören, Wissen in dir aufzunehmen, zu lernen, deinen Geist zu vervollkommnen. Und auch wenn ich sterbe, wird mein Geist immer bei dir sein. Er kommt dort vom Meer herüber, mit den Nebeln, den Wolken und dem Wind. Er kommt mit dem Regen, mit dem Tau. Er dringt in die Bäume ein, in die Pflanzen. Er fließt in deinen Geist ein und verbreitert den Fluss zum gewaltigen Strom. Geh deinen Weg, mein Junge, unbeirrbar wie der Strom dem Meer zustrebt.« Rupert blieb stehen und starrte den alten Druiden an. Sein Körper war mager geworden, seine Schultern gebeugt. Sein dünnes, weißes Haar umwehte sein knochiges Gesicht. Er kannte die Frage des Jungen, ohne dass Rupert sie ausgesprochen hatte. »Ich sehe bereits die Mündung meines Lebensflusses. Ich werde schon sehr bald in die Ewigkeit des großen Meeres eingehen.«
    Rupert senkte den Blick und versuchte, seine Emotionen zu beherrschen. »Ich werde dich vermissen, großer Meister«, sagte er leise.
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Nur mein Körper wird vergehen. Es ist nicht schade um dieses verschrumpelte Knochengerüst. Aber mein Geist wird immer bei dir sein, in allem, was dich umgibt.« Er legte Rupert seine Hand auf die Schulter.
    Für einen kurzen Augenblick legte Rupert seine Hand auf die des alten Druiden. Er spürte eine seltsame Energie in seine Adern strömen. Es war der Geist des Priesters, das Wasser seines Lebensflusses.
     
     
    Sieben Tage und sieben Nächte wachten sie an der Bahre des alten Druiden. Sein Leichnam lag da, in ein racholl, ein weißes Leinentuch, gewickelt und mit buschig grünen Birkenzweigen bedeckt. Dann trugen sie ihn zum Ufer des Flusses. Sie umstanden die fuat, auf die sie einen Espenstab gelegt hatten, der eine Inschrift in Ogham aufwies. Reihum sangen sie das eclaire, das sie durch rhythmisches Händeklatschen begleiteten, und feierten so den Tod und die Wiedergeburt in der Anderswelt.
    Dann setzten sie den Leichnam des Toten auf die Barke und stießen sie vom Ufer ab. Langsam trieb das Boot stromabwärts. Die zwölf Schüler des alten Druiden spannten gleichzeitig ihre Bogen und legten
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