Der schwarze Magier
zerklüfteten Hang und blieb schwer atmend neben Rupert stehen. Schaudernd blickte er in den Abgrund des Kraters.
»Ihr habt Mut, mein König«, sagte Rupert. »Eure Ritter glauben, dass Ihr Euch dem Teufel verschrieben habt, weil Ihr mir gefolgt seid.« Er wandte sich um und blickte auf die Ritter herab, die immer noch knieten und beteten. »Vielleicht beten sie Euch aber auch an, weil Ihr Euch dem alten Feuergott der Römer gleichgestellt habt.«
Fragend schaute Richard zu ihm auf. »Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?«
»Das wird die Zeit Euch lehren«, erwiderte Rupert. »Auf jeden Fall habt Ihr schon mal einen Blick in die Hölle geworfen.«
Ihr Weg führte von Salerno über Sant’ Eufemia nach Mileto. Einer von Richards normannischen Vorfahren namens Robert Guiscard hatte einen Holzturm erbaut, als er die Abtei Santa Trinita angriff. Richard ließ es sich nicht nehmen, die Leistungen seiner Ahnen zu bewundern. Doch noch mehr reizte ihn ein neues Abenteuer. An der äußersten Spitze des italienischen Südzipfels, gegenüber dem Leuchtturm von Messina, befand sich der sagenumwobene Strudel Skylla.
Sie hatten im Schloss von La Bagnara das Lager aufgeschlagen, die Pferde abgesattelt. »Lasst uns einen kleinen Spaziergang unternehmen«, schlug der König vor. »Nur wir beide.« Rupert hob erstaunt die Augenbrauen, doch er fragte nicht. Richard war seiner selbst so sicher, dass er keinen Augenblick an eine Gefahr für Leib und Leben dachte. Seine abergläubigen Ritter ließ er zurück.
Rupert begleitete Richard auf seinem Weg über die Felsen, wo Winde und Strömungen den verhängnisvollen Meereswirbel bildeten. Das Meer schien zu kochen, Gischt spritzte auf.
»Es gibt nicht nur eine Hölle!«, rief Richard begeistert aus, als er in die schäumende Tiefe blickte. Rupert beobachtete den König. Sein Mut schien grenzenlos, Furcht ein ihm unbekanntes Wort. Der Wind zauste in Richards rotblondem Schopf. »Ich fühle mich frei wie ein Vogel und über alle bösen Mächte erhaben!« Er breitete die Arme aus, als wolle er fliegen.
Rupert setzte sich auf einen Felsvorsprung und blickte über die Meerenge von Messina. Auch er spürte den Wind in seinem Gesicht, doch es war kein Wind der Freiheit. »Lasst uns gehen, Sire«, sagte er und erhob sich.
»Wollt Ihr mir die Freude verderben, einmal ohne mein Gefolge herumzustreunen?«, fragte Richard. »Auch ein König möchte einmal nur Mensch sein, de Cazeville. Und mit Euch allein. Für meine Ritter wäre das eine Art Mutprobe, für mich jedoch ein Erlebnis.«
Ruperts Mundwinkel verzogen sich spöttisch. Er deutete auf das unruhige Meer. »Im Angesicht der Mächte der Natur sind wir tatsächlich nur zwei kleine, schwache Menschen.«
Sie verfolgten den Weg von dem Felsen weiter landeinwärts und gewahrten kleine Bauernhäuser inmitten ummauerter Felder. »Hört Ihr? Der Schrei eines Falken. Es ist ein gutes Zeichen, das mir den Weg weist. Ich werde wie der Falke sein, frei, erhaben und König über das Erdengetier.«
»Ein gutes Zeichen? Der Schrei kam aus diesem Haus.« Rupert wandte sich um und wies auf eine der niedrigen Katen.
»Tatsächlich? Dann wollen wir mal nachschauen, welches Geheimnis sich dahinter verbirgt.«
Vor Ruperts Augen verwirbelte die Luft, er sah den scharfen Blick des Greifs, doch statt Krallen besaß der Vogel messerscharfe Klingen. Unwillkürlich zuckte er zurück. So schnell, wie die Vision kam, war sie wieder verschwunden. »Geht nicht hinein«, warnte er den König.
Mit einem ungläubigen Lächeln drehte sich der König zu ihm um. »Warum nicht? Es war ein Zeichen…«
»Ein schlechtes Zeichen!«
Doch Richard hatte die Hütte bereits betreten. Zu seinem Entzücken gewahrte er in dem düsteren Raum einen herrlichen Falken. Der Vögel saß auf einer Holzstange und schlug aufgeregt mit den Flügeln, als er den König gewahrte.
Richard hob langsam seine rechte Hand mit dem fein bestickten Lederhandschuh. »Komm, komm zu mir«, lockte er den Vogel. Nach kurzem Zögern hüpfte der Falke auf seine Hand und breitete seine Flügel aus. Majestätisch bewegte er den Kopf. Langsam trat Richard zurück aus der Hütte.
»Schaut, was für ein herrliches Tier! Es ist eines Königs würdig, meint Ihr nicht auch?«
Gebannt starrte Rupert auf den König mit dem Falken, doch dann gewahrte er eine andere Bewegung. Ein Bauer, in eine schlichte Tunika gekleidet, kam hinter der Hütte hervor. Er hielt einen Stock in der Hand und sein Blick war
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