Der schwarze Magier
Seit dem Zwischenfall in La Bagnara war seine Stimmung auf einem Tiefpunkt. Sein königliches Selbstbewusstsein hatte gelitten. Rupert unterdrückte ein Grinsen.
Die beiden Könige umarmten und küssten sich und es war schwer zu erkennen, wer von beiden eine größere Freude über dieses Treffen an den Tag legte. Ihre Armeen applaudierten sich gegenseitig, die Soldaten unterhielten sich miteinander, dass man glauben könnte, alle wären ein Herz und eine Seele.
Nur Rupert hörte, dass sich die beiden Könige spitze Gehässigkeiten ins Ohr zischten, trotz ihrer lächelnden Gesichter.
Einige Schritte abseits stand Roger von Hoveden. Er war einer der Chronisten des englischen Königs, der schon unter dessen Vater Heinrich II. am englischen Hof lebte. Er beobachtete das Treffen der beiden Könige und machte sich einige Notizen auf seinem Schreibbrett. Natürlich konnte er nicht vernehmen, was Rupert hörte.
Zum ersten Mal sah Rupert den französischen König und sofort war ihm klar, welche Diskrepanz zwischen beiden bestand. Neben dem hoch gewachsenen, wohl gestalteten Richard mit dem schönen Gesicht, dem rotblonden Haar und der charismatischen Ausstrahlung wirkte Philipp farb- und glanzlos. Richard war jetzt dreiunddreißig Jahre alt und stand in der Blüte seiner Jahre. Er besaß eine unbändige Tatkraft, war eine strahlende Erscheinung, deren legendärer Ruf ihm vorauseilte. Philipp August war acht Jahre jünger als Richard, aber er war bereits seit zehn Jahren ein König. Bittere Erfahrungen hatten ihn Klugheit und Besonnenheit gelehrt. Er war schlank, aber mit einem dichten Schopf wirren Haars, das ihm etwas Unordentliches verlieh. Auf einem Auge hatte er die Sehkraft eingebüßt und sein Blick gab ihm etwas Unstetes.
Im Saal des Palastes herrschte ein Gewimmel wie bei einem großen Fest. Mit einem Becher Wein in der Hand schlenderte Philipp umher und nahm mit lächelndem Gesicht Lobesbekundungen entgegen. Er näherte sich Rupert, der reglos stehen geblieben war. Philipp schien nicht zu erwarten, dass Rupert ihm seine Aufwartung machte. »So wie dem englischen König der Ruf seiner Tapferkeit vorauseilt, eilt Euch der Ruf eines gelehrten Mannes mit seltsamen Gaben voraus. Man mag mir nachsagen, dass ich selbst nicht besonders gebildet bin, mein Hof kann sich mit dem in Poitiers nicht vergleichen, doch auch mir liegt an weisen Männern, die mir mit Rat zur Seite stehen.«
Rupert lehnte mit verschränkten Armen am Türpfosten und blickte auf Philipp herab. »Das ehrt Euch, Sire.«
»Nun, es wäre mir eine Ehre, Euch in meinem Hofstaat willkommen zu heißen, de Cazeville.«
Ein abfälliges Grinsen umspielte Ruperts Lippen. »Soll das eine Abwerbung sein, Sire?«
»Beileibe nicht. Ich kann Euch nicht den Glanz des aquitanischen Hofes bieten, ich mache mir nichts aus der höfischen Dichtkunst, dem geistigen Leben und den schönen Künsten. Doch ich weiß wahre Freundschaft zu würdigen.«
Auch wenn Philipp seine Worte liebenswürdig wählte, spürte Rupert, dass er schlau und durchtrieben, dabei falsch und treulos war. Er stieß sich vom Türrahmen ab und holte tief Luft. Sein Gesicht nahm nun einen gelangweilten Ausdruck an. »Dann solltet Ihr wissen, dass ich nicht käuflich bin. Ich bin frei und ich gehe dorthin, wo es mir beliebt. Auch an Richard fühle ich mich nicht gebunden. Ihr verschwendet nur Eure Zeit.« Er ließ Philipp einfach stehen, um den Saal zu verlassen und auf dem Schlosshof frische Luft zu schnappen. Missmutig blickte Philipp ihm nach.
Kurze Zeit später folgte ihm Richard. »Ich bleibe nicht in diesem Schloss«, grummelte der englische König. »Ich kann Philipps Nähe einfach nicht ertragen. Wir werden in den Weinbergen der Vorstadt nächtigen.«
»Es ist ein weiser Entschluss«, sagte Rupert leise. »Allzu große Nähe führt schnell zu Zerwürfnissen. Ein kleiner Anlass hat oft schon einen großen Krieg ausgelöst.«
»Na ja, wir werden sowieso bald aufbrechen. Damit ist das leidige Thema beendet«, erwiderte Richard und gähnte herzhaft.
Am nächsten Tag saß der englische König zu Gericht über Leute aus seiner Gefolgschaft, die sich Plünderung, Raub und Vergewaltigung zu Schulden hatten kommen lassen. Ohne Ansehen von Alter, Geschlecht und Nationalität unterwarf er alle dem Gesetz und dem königlichen Urteil, das für die Kreuzfahrer galt.
»Seht Ihr, de Cazeville«, sagte Richard, während er zuschaute, wie die Galgen aufgestellt wurden, »das ist es, was einen König
Weitere Kostenlose Bücher