Der schwarze Magier
Wisst Ihr, wenn ich einen Käufer gefunden hätte, hätte ich auch London verkauft.«
Er schwieg und blickte Rupert von der Seite her aufmerksam an. Dessen asketisches Gesicht mit der scharf geschnittenen Raubvogelnase, seinen schmalen Wangen und den schwarzen, etwas tief liegenden Augen verriet keine Gemütsbewegung. »Wisst Ihr, warum ich Euch mag, de Cazeville? Ihr erinnert mich an jemanden, der einmal ein großer Mann und der langjährige Erzieher meines Bruders Heinrich war. Er war der Erzbischof von Canterbury, Thomas Becket.«
Rupert verzog das Gesicht. Mit einem christlichen Bischof verglichen zu werden, fasste er nicht als Kompliment auf. Richard schien es nicht zu bemerken. »Erst war Becket Kanzler meines Vaters, dann wurde er Erzbischof. Er war ein fähiger Mann. Nein, er war überragend. Doch je mehr Macht er bekam, umso eigenwilliger wurde er, überwarf sich mit Papst und Kirche, mit König und Lords. Er wurde ermordet. Man munkelte, mein Vater steckte dahinter.« Richard lächelte versonnen. »Es ist bereits zwanzig Jahre her, doch ich erinnere mich noch an diesen so klugen, weisen Mann, der meinem Vater Schauder über den Rücken gejagt hat. Nun ja, er konnte nicht ahnen, welchen nachhaltigen Eindruck Becket in uns Kindern hinterließ. Mein Bruder Heinrich kam lange nicht über dessen Tod hinweg. Und nun scheint mir, dass er in Eurer Gestalt zurückgekehrt ist. Etwas anders vielleicht, aber nicht weniger beeindruckend.«
»Euer Gefühl trübt Euch den Sinn«, erwiderte Rupert abweisend. Erst sprach der König von den Schrecken der Schlacht wie von einer vergnüglichen Treibjagd, wenige Augenblicke später versank er in sentimentalen Trübsinn wegen eines Mordes, der Jahrzehnte zurücklag. Diesem König war der Sinn getrübt, vielleicht war er gar wahnsinnig?
Richard hob plötzlich den Kopf »Gab es in Eurem Leben keine prägenden Ereignisse? Wollt Ihr mir weismachen, dass Ihr außerhalb der Gefühlswelt lebt?«
Ruperts Augen blitzten belustigt. »Gefühle zu besitzen ist nicht erstrebenswert. Und wenn man sie schon hat, ist es eine Kunst, sie nicht über den Geist triumphieren zu lassen.«
»Ach, de Cazeville, auch Ihr hattet eine Kindheit und eine Jugend! Wart Ihr schon immer so ein Mensch des kühlen Verstandes? Hattet Ihr keine Brüder?«
Rupert presste die Lippen zusammen. »Kinder! Kinder sind nur unfertige Erwachsene und nicht viel wert. Ich bin ein jüngerer Bruder«, sagte er mit einem verbitterten Unterton. »Jüngere Brüder und Schwestern sind überzählig. Man muss sich ihrer schnellstmöglich entledigen.«
»So hart seht Ihr das?«
Rupert zuckte mit den Schultern. »Es war nicht zu meinem Nachteil. Zum Ritter tauge ich nichts. Ich wollte schon immer ein Gelehrter werden, also bin ich es geworden.«
Der König hob die Augenbrauen. »Ihr seid durch eine ganz besondere Schule des Lebens gegangen«, stellte er fest.
Rupert blickte ihm fest in die Augen und ein seltsames Kribbeln fuhr durch Richards Bauch. Dieser Mann besaß eine unheimliche Ausstrahlung und er schauderte für einen Augenblick.
»Allerdings. Und es gab auch in meinem Leben prägende Menschen. Ich bin also nichts Besonderes.«
»Ihr seid zu bescheiden, mein Freund. Ihr seid etwas Besonderes und das wisst Ihr. Noch seid Ihr ein Buch mit sieben Siegeln für mich, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich Euch vertrauen kann.«
»So?« Rupert lachte belustigt und seine schwarzen Augen funkelten spöttisch. »Wieder lasst Ihr Euch von Eurem Gefühl leiten. Ein Mann wie Ihr, der berufen ist, über andere zu herrschen, sollte sich niemals von seinen Gefühlen beherrschen lassen. Sie trüben den Blick. Mit Eurer Impulsivität verwirrt Ihr nur Eure Umgebung.«
»Soll das eine Kritik sein?«, fragte Richard und runzelte die Brauen.
»Nein, Sire, nur eine Feststellung. Ihr könnt Euren Charakter nicht ändern, aber zügeln. Als Mensch sei Euch dieser Zug verziehen, als König jedoch nicht. Es könnte schlimme Folgen haben.«
»Oh, dafür habe ich ja Euch an meiner Seite, damit Ihr mit Eurem kühlen Verstand ein wenig mein Temperament bremst.«
Rupert beugte sich über den Hals seines Pferdes und funkelte den König von unten herauf an. »Wie wollt Ihr mich an Euch binden? Mit Gewalt?«
Richard schüttelte den Kopf. »Es wäre wohl vergebens, nicht wahr? Wir beide sind zwei völlig gegensätzliche Menschen. Vielleicht gerade deshalb.« Er beobachtete Ruperts Reaktion, doch dessen Gesicht blieb ausdruckslos.
»Vielleicht
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