Der Schwarze Mandarin
untersucht … Tausende Touristen bringen aus China solche Dosen mit. Vor allem die ›Langnasen‹. Man färbte also das Heroin ein in der Farbe des Nescafés, gab obenauf eine Schicht echten Kaffee, um die Sicherheitsbeamten zu täuschen – was gelang –, und jeder Chinese, der Hongkong oder Beijing oder Shanghai verließ, nahm eine Portion Kaffee mit und lieferte sie am Zielflughafen ab. Wenn ich sage, jeder Chinese, dann meine ich die, die mit uns zusammenarbeiten. Aber dann geschah etwas Unvorhergesehenes: Einer der Eingeweihten verriet diesen Trick der Polizei. Wir wissen nicht, wer es war, noch nicht, aber wenn wir ihn enttarnt haben, wird er vor unser Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Die heutige Lage ist also so, daß nun auch Pulverkaffee und Trockenmilch kontrolliert werden. Die Aktion der Polizei kam plötzlich, ohne daß uns jemand warnen konnte. Sie kostete uns 23 Kuriere, die im Fußballstadion von Guangzhou öffentlich erschossen wurden. Seitdem stockt dieser Schmuggel von Heroin, und wir suchen Weiße, die den Transport übernehmen, denn nach wie vor werden Europäer nicht so streng kontrolliert, wenn sie Kaffee bei sich haben.«
»Und ich war eines dieser dummen Schafe, das für Sie das Heroin nach München gebracht hat.«
»Ja.« Min Ju grinste verhalten. »Nur … wir haben Sie nicht benutzt, damit Sie weiterhin Kurier spielen sollen, sondern nur, weil Sie damit eine kriminelle Tat begangen und wir Sie so in der Hand haben.«
»Irrtum. Ich hatte keine Ahnung, was ich da transportierte.«
»Deshalb die doppelte Sicherheit. Sie heißt: Wang Liyun.«
Rathenow schloß für einen Moment die Augen. Das Gespräch wurde unterbrochen. Der Kellner brachte die kalten Vorspeisen und die Schüsselchen mit Soße; sie bedeckten den ganzen runden Tisch. Als sie wieder allein waren, sagte Rathenow dumpf:
»Was wollen Sie von mir?«
»Wir möchten Sie mit einer Aufgabe betrauen, die bisher nur von meinen Landsleuten erfüllt wurde. Ich will jetzt ganz offen mit Ihnen sprechen. Wenn auch nur ein einziger Ton davon nach draußen dringt, wird die Bruderschaft 14K Sie bestrafen müssen. Sie – oder Wang Liyun. Ab sofort unterliegen Sie der absoluten Schweigepflicht der Triade 14K.«
»Der grausamsten Triade …«, sagte Rathenow. Seine Stimme klang wie eingerostet.
»Wir sind eine Bruderschaft der blinden Gehorsamkeit. Und deshalb eine der erfolgreichsten auf der ganzen Welt.« Min Ju griff mit seinem Stäbchen ein Stück Entenbein auf, an dem die Schwimmhäute noch erkennbar waren, und tauchte es in eine der Schüsselchen. »Zum Thema. Seit einiger Zeit sind die Triaden in die Großfahndung der deutschen Polizei geraten. Das 13. Kommissariat in München, zuständig für das organisierte Verbrechen, macht uns sehr zu schaffen. Nicht im Rauschgiftgeschäft – da sind wir flexibel und kaum anzugreifen –, aber unsere Abteilungen Schutzgeld und Prostitution werden zunehmend mehr attackiert. Unsere Schutzgeldkassierer werden beobachtet, die Gastwirte befragt, einige der Kassierer wurden sogar verhaftet, verhört und unter Druck gesetzt. Hausdurchsuchungen finden statt, Kriminalbeamte liegen in den Restaurants auf der Lauer – allerdings mit wenig Erfolg. Den Kassierern ist nichts nachzuweisen, die Gastwirte schweigen aus Angst vor uns, es ist eine Gummiwand, gegen die die deutsche Polizei rennt. Aber ab und zu hat sie doch Erfolg, werden Brüder von uns verurteilt. Die deutsche Polizei weiß natürlich genau, daß sie nur ein paar kleine Fische erwischen kann. Aber auch diese kleinen Fische wollen wir behalten – und dazu brauchen wir Sie für unsere Münchener Sektion.«
»Ich verstehe vieles, aber das nicht.« Rathenow schüttelte den Kopf, er verstand wirklich nichts. »Wieso brauchen Sie mich?«
»Das ist ganz einfach – ein ebenso genialer Gedanke wie mit dem Heroin-Kaffee. Sie sollen eine Art Testfall werden. Klappt es, führen wir das neue System überall ein. Ich werde Ihnen ein paar Fragen stellen, bis Sie begreifen, um was es geht. Frage eins: Wer besucht hauptsächlich die chinesischen Restaurants?«
»Einheimische. Münchener, Gäste aller Schattierungen.«
»Mehr Chinesen?«
»Nein.«
»Vornehmlich ›Langnasen‹?«
»Ja.«
»Fallen die ›Weißen‹ besonders auf?«
»Nein.«
»Geben sie Anlaß, ihnen zu mißtrauen?«
»Nein.«
»Sie sind in aller Augen harmlos?«
»Ja.«
»Wenn die Kriminalpolizei eine Restaurantkontrolle unternimmt, wird man die europäischen Gäste
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