Der Schwarze Mandarin
Was haben Sie in der Zukunft vor?«
»Ich warte, bis mein Mann aus dem Krankenhaus entlassen wird.«
»Werden Sie das Lokal weiterführen?«
»Nein.«
»Und später?«
»Wir werden das ›Lotos‹ verkaufen.«
»An einen Chinesen?«
»Wer sich dafür interessiert und am meisten bietet.«
»Und nach dem Verkauf?«
»Werden wir wegziehen aus München.«
»Zurück in die Schweiz?«
»Nein. Vielleicht lassen wir uns auf den Bahamas nieder. Oder in Florida. Xiang wird das entscheiden.«
»Sie haben Angst, nicht wahr?«
»Wir wollen den Rest unseres Lebens in Frieden leben. Was kann sich ein Mensch mit ausgestochenen Augen anderes wünschen?«
»Rache!«
»An wem? Die Mörder zu finden, ist Ihre Aufgabe. Finden Sie sie, dann wird der deutsche Staat sie bestrafen. Wir wollen jetzt nur Ruhe, Ruhe, Ruhe!«
Auch dieses Verhör brachte also nichts. Peter Probst beendete das Gespräch und ließ Angela Yan gehen. Es hat keinen Sinn, sagte er sich. Sie weiß mehr, bestimmt weiß sie mehr, aber sie wird keinen Ton mehr sagen. Es ist wie immer bei Triadenmorden: Die Angst lähmt die Zunge. Wir rennen mit bloßem Kopf gegen eine dicke chinesische Mauer. Da bröckelt kein Stein, nur unsere Köpfe zerplatzen. Wo kommen wir hin? Bis jetzt leben in Deutschland über 30.000 Chinesen! Und 1997, wenn Hongkong an die VR China fällt, wird es zu einer Invasion von Flüchtlingen kommen, von denen mindestens zehn Prozent mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen. Dann gnade uns Gott – auch wenn wir die Grenzen schließen, werden sie wie Ameisen durch jede Ritze kommen. Wir werden überspült werden wie ein gebrochener Deich.
Was können wir dagegensetzen?
Nichts!
PP seufzte. Er dachte an die Worte, die Josef Geißdörfer, der Dezernatsleiter für organisierte Kriminalität beim Bayerischen Landeskriminalamt in München, während einer Befragung gesagt hatte:
»Wir glauben, daß in der Bundesrepublik so gut wie jeder chinesische Gastwirt Schutzgeld an die Triaden abführen muß. Das Problem ist nur: Wir wissen so gut wie nichts darüber. Die China-Mafia ist in Deutschland überall! In den USA, Großbritannien und Holland haben sich die Chinesen in Chinatowns konzentriert. In der BRD aber sind sie über das Land verstreut. Sie sind unauffällig, allgegenwärtig und einfach nicht zu fassen. Während die italienische Mafia derzeit in ihren Strukturen erschüttert ist, nehmen die Aktivitäten chinesischer Banden, eben der Triaden, auch bei uns fast sprunghaft zu.«
Es gibt allein in München 78 China-Lokale, und immer neue werden eröffnet. Über alle herrscht – für die Polizei unsichtbar – 14K, ebenso wie über Drogenhandel, Glücksspiel und Prostitution. Und 14K mordet, wer sich nicht beugt. Und nicht nur in München, auch in Hamburg, Frankfurt und Berlin stehen die Dezernate für die organisierte Kriminalität, kurz OK genannt, wie vor einer Wand. Kriminaloberrat Karl-Heinz Huber im Münchener Polizeipräsidium hat es einmal deutlich angesprochen:
»Was Schweigen wirklich bedeutet, haben wir bei chinesischen Geschäftsleuten kennengelernt. Sie lächeln, aber sie reden nicht.«
Als Täter kamen nur die beiden Männer, die zuletzt das ›Lotos‹ betreten hatten, in Frage – davon war Peter Probst fest überzeugt. Der Chinese und der Deutsche mit den weißen Haaren. Sie trugen beide schwarze Anzüge. Sie wirkten sehr seriös, sagten die Zeugen aus. Und der Weißhaarige hinkte stark. Er könnte eventuell eine Beinprothese tragen. Das ist ein wichtiger, konkreter Hinweis, und nun muß der Zufall oder das Glück helfen, diesen Mann irgendwo in einem chinesischen Lokal zu finden. Nur eines gefiel PP nicht: Wie konnte ein Weißer bei den Triaden arbeiten? Das war gegen alle Geheimbund-Gesetze, die seit über 3.000 Jahren galten. Es war bekannt, daß die Triade 14K bei allen Aktionen schwarze Kleidung trug, also waren die Täter aus der Familie der 14K. Aber nie würde diese am meisten gefürchtete Triade einen Deutschen in ihre Reihen aufnehmen. Undenkbar!
Dennoch nahm er sich vor, die Observierung der chinesischen Lokale zu verstärken, vor allem nach dem Weißhaarigen zu fahnden. Aber die Frage blieb:
Stellten sich die Triaden um? Wurden sie jetzt auch international in ihren Mitarbeitern? Wichen Sie von der Regel ab, nur Chinesen oder Asiaten zu beschäftigen? Konstruierte 14K einen Testfall? Wenn jetzt auch Europäer Triaden werden konnten, würde die organisierte Kriminalität völlig unübersichtlich.
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