Der Schwarze Mandarin
Andererseits aber eröffnete sich die Möglichkeit, ›Maulwürfe‹ in die Triaden einzuschleusen, Kontaktmänner zur Polizei, die alle Aktionen meldeten. Bisher hatten sich nur wenige Chinesen zu diesem Spitzeldienst bereit erklärt, und es war eine Pleite geworden. Vier Spitzel wurden enttarnt und grausam hingerichtet, drei verschwanden daraufhin spurlos und tauchten unter anderem Namen unter. Im Augenblick war es wieder so, daß das 13. Dezernat keinen Kontaktmann mehr zu der Triade hatte. Man wartete nur darauf, daß die Observierung Erfolg brachte.
Peter Probst sah schwere Zeiten auf sich zukommen. Und ihn schauderte bei dem Gedanken an 1997, wenn die VR China in Hongkong einmarschieren würde. Die Massenflucht war nicht aufzuhalten. Nach Berechnungen von Interpol waren in den vergangenen Jahren bereits 35 Millionen Chinesen über Hongkong in alle Welt geschleust worden. 35 Millionen Chinesen auf der Flucht – fast so viele wie die ganze Bevölkerung Spaniens!
Wenn wir so schwach bleiben wie bisher, wird in einigen Jahren der Westen kapitulieren müssen. Wir haben keine Mittel, die organisierte Kriminalität aufzuhalten. Peter Probst hieb mit der Faust auf seinen Schreibtisch.
»Es ist eben alles Scheiße!« sagte er laut. »Eine verdammte Scheiße!«
Kriminaloberinspektor Lauffen steckte den Kopf durch die Tür.
»Hast du was gesagt, Peter?«
»Ja!« PP erhob sich von seinen Stuhl. »Ich gehe jetzt eine Maß saufen … mein Hals ist wie ausgetrocknet.«
*
Am nächsten Tag schreckten die Zeitungen mit großen Schlagzeilen die Leser auf:
Doppelmord in Wessling.
Zwei Russen grausam hingerichtet.
Racheakt oder Bandenkrieg? Die Polizei tappt im dunkeln.
Wird München ein zweites Palermo?
Die Polizei in Starnberg hatte mittlerweile die Mordkommission in München um Amtshilfe gebeten und auch das Kommissariat für organisierte Kriminalität benachrichtigt.
Auch Rathenow las die Zeitung, wie jeden Morgen, und ließ sie fallen, als habe er sich an ihr die Finger verbrannt. Die beiden Gäste im ›Schwarzen Mandarin‹. Ninglin und die fünf chinesischen Killer. Min Jus Befehl: Kümmert euch um die Männer. Wenn es Russen sind, wißt ihr, was ihr zu tun habt.
Rathenow zögerte. Dann aber sprach er sich selbst Mut zu und rief im Polizeipräsidium an. »Bitte die Mordkommission.«
Eine nüchterne, amtliche Stimme antwortete: »Um was geht es?«
»Eben das will ich dem Kommissar sagen.«
»Ihr Name?«
»Der ist nicht wichtig! Verbinden Sie mich –«
»Woher rufen Sie an?«
»Zum Teufel, ich will den Leiter der Mordkommission sprechen und keine Biographie abgeben!«
Es knackte dreimal, dann meldete sich eine andere Stimme.
»Benicke. Sie wollten mich sprechen?«
»Sind Sie die Mordkommission?«
»Ich bin der Leiter des Dezernats.«
»Gestern sind zwei Russen ermordet worden. Ich kenne die Mörder …«
Benickes Stimme blieb ruhig. »Sie sind der vierzehnte Anrufer, der die Mörder kennen will. Alles Fehlanzeige! Wer war es also?«
»Die Triade 14K!« Rathenow atmete schwer. Er hörte ein leises Knacken in der Leitung. Jetzt hat er den Lautsprecher eingeschaltet – jetzt hören die anderen Beamten mit. »Ein Offizier der Triade und fünf Killer. Ich habe dabeigesessen, als man die Russen zum Tode verurteilte.«
»Wer sind Sie?« Die Frage kam ganz ruhig. Benicke war so leicht nicht zu erschüttern. Wer seit fünfzehn Jahren das Morddezernat leitet, kippt so schnell nicht aus den Schuhen.
»Was spielt ein Name für eine Rolle? Ich sage Ihnen die Wahrheit – das genügt doch.«
Rathenow legte auf. Er kam sich irgendwie befreit vor, aber gleichzeitig stieg Angst in ihm auf. Wenn Min Ju erfuhr, daß er verraten worden war, fiel sein Verdacht sofort auf ihn. Ein Triadenbruder hätte nie die Polizei informiert. Mins Verdacht aber würde eine Kette von Grausamkeiten auslösen: Folter, Hinrichtung und in Kunming Tod für Liyun!
Mein Gott, laß Min Ju ahnungslos bleiben!
Im Dezernat 13 las PP den ersten Bericht durch, den ihm Kollege Benicke selbst überbracht hatte:
Bei den beiden getöteten Russen handelt es sich um den 35jährigen Boris Lukanowirsch Smolzew und den 30jährigen Fjedor Antonowitsch Jorganow, beide ohne Beruf. Nach Feststellungen der Ausländerbehörde lebten beide illegal in München. Hiesige Tätigkeit unbekannt. Die o.a. Namen sind ihren Pässen entnommen, die aber gefälscht sein können. Die Pässe werden z.Zt. kriminaltechnisch untersucht.
Erster Bericht des Polizeiarztes Dr.
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