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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abenddämmerung in das Dunkel einer warmen Sommernacht überging.
    »So ist es gut«, sagte einer der Triaden. »Brüder, an die Arbeit!«
    Sie bezahlten, verließen das Lokal und gingen zurück zu dem Mehrfamilienhaus. Dort drückten sie gegen die Eingangstür – sie war nur angelehnt und ließ sich lautlos öffnen.
    Die vier Chinesen stiegen im Dunkeln hinauf in den zweiten Stock, lautlos wie große Katzen …
    *
    Zum drittenmal verhörte Kriminaloberrat Peter Probst die Witwe Yan Xiangs, die Schweizerin Angela geborene Hätterli. Sie saß ihm in seinem Büro im 13. Kommissariat gegenüber, in einem schwarzen Spitzenkleid und mit diskret geschminktem Gesicht. PP gab sich keiner Hoffnung hin, daß er etwas Neues von ihr erfahren würde, aber einen Versuch war es immerhin wert. Manchmal brach jemand sein Schweigen, gepeinigt von der inneren Zerrissenheit. Er hatte darin Erfahrung. Der alte Volksspruch ›Steter Tropfen höhlt den Stein‹ hatte schon überraschend oft zum Erfolg geführt.
    Angela Yan aber war ein harter Brocken. Auf jede Frage von PP folgte die stereotype Antwort:
    »Ich weiß es nicht. Ich lag im Bett und habe geschlafen. Nein, ich habe nichts gehört. Ja, mein Mann rief erst gegen halb drei an.«
    »Frau Yan, so kommen wir nicht weiter. Schildern Sie mir, was wirklich geschehen ist.«
    »Das habe ich schon dreimal erzählt.«
    »Erzählen Sie es noch einmal.«
    »Ich habe geweint, ich war total fertig, ich war unfähig, überhaupt noch zu denken. Ist das nicht natürlich?«
    »Und Ihr Mann?«
    »Nachdem ich ihn nach oben geschleppt hatte, lag er auf dem Bett und hatte ein nasses Handtuch über seine Augen gelegt.«
    »Er hat Ihnen nicht gesagt, wer die Täter waren?«
    »Nein. Ich glaube nicht …«
    »Was heißt: Ich glaube nicht?«
    »Ich war mit den Nerven so fertig, daß ich nichts mehr gehört habe. Wenn Xiang etwas gesagt hat – ich habe es nicht mehr wahrgenommen.«
    »Und warum haben Sie erst gegen halb sieben Uhr morgens den Arzt und dann die Mordkommission angerufen?«
    »Das habe ich Ihnen auch schon dreimal erklärt: Mein Mann wollte es so.«
    »Und Sie haben in dieser Situation, ohne sich zu widersetzen, auf Ihren Mann gehört? Jede andere Frau hätte …«
    »Jede andere Frau ist nicht mit Xiang verheiratet! Ich habe in meiner Ehe gelernt, seine Wünsche zu respektieren.«
    »Auch wenn es um Leben und Tod geht? Ihr Mann hätte an seinen Verletzungen sterben können.«
    »Haben Sie eine Ahnung von der chinesischen Mentalität, Herr Probst?«
    »Ich traue mir zu, die Chinesen zu kennen. Ich habe lange genug mit ihnen zu tun.«
    »Als Polizeibeamter, nicht als Ehefrau. Xiang hat mir vor unserer Heirat seine Auffassung von Leben und Tod erklärt. Und erst dann hat er mich gefragt: Willst du trotzdem meine Frau werden?«
    »Wieso trotzdem?«
    »Er liebt das Leben, aber er fürchtet den Tod nicht. Es ist ein völlig anderes Denken als bei uns Europäern. Tod ist für ihn kein Unglück. Auch den Verlust seiner Augen nahm er hin, als habe er einen Ring verloren. ›Ruf den Arzt und die Polizei, wenn ich es sage‹ – das war sein Befehl, und ich gehorchte. Ich bin eine Schweizerin, aber innerlich hat Xiang mich zu einer Chinesin gemacht. Können Sie das verstehen?«
    »Schwer.« PP blätterte in den vorherigen Aussagen von Frau Yan. »Sie haben Ihren eigenen Willen aufgegeben?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Vielleicht, weil ich ein altmodischer Mensch bin – ich liebe ihn! Ich habe ihm mein Leben überlassen. Er ist mein Herr.«
    »O Gott! Und das im Zeitalter der Emanzipation.«
    »Ich sagte ja – ich bin hoffnungslos altmodisch. Überholt! Oder sagen wir besser: Ich bin innerlich eine chinesische Frau geworden.«
    »Wir wollen jetzt keine Tiefenpsychologie betreiben. Es geht darum, daß die Zeiten nicht stimmen! Ihr Mann wurde nicht um halb drei überfallen und der Kellner nicht kurz vorher getötet, sondern die Tat geschah schon kurz nach 23 Uhr! Zwei Zeugen haben ausgesagt, daß zwei Männer vor Lokalschluß das ›Lotos‹ betreten haben – ein Chinese und ein Deutscher mit weißen Haaren, der auffällig hinkte. Nach ihnen läuft die Fahndung. Ihr Mann hat Ihnen doch erzählt …«
    »Mein Mann hat nichts erzählt.« Angela Yan verschränkte die Finger ineinander. »Fragen Sie doch meinen Mann nach den mutmaßlichen Tätern.«
    »Er hat keine gesehen. Sagt er.«
    »Dann stimmt es auch. Warum sollte mein Mann lügen?«
    »Das fragen Sie bitte keinen, der die Triaden so gut kennt wie ich.

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