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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wegen des Herzens, habe ich ihm erklärt. Nüchtern betrachtet, kann er am Tag hundert Zigaretten rauchen – das verkürzt nur die kommenden Qualen. Ein Pankreas-Ca ist ein Sauding …«
    »Ich würde ihm die Wahrheit sagen. Vielleicht haben chinesische Ärzte andere Mittel.«
    »Was denn?« Jetzt fühlte sich Dr. Freiburg wirklich beleidigt und angegriffen. »Schlangenextrakt? Blütenserum? Mischblätter-Tee? Gepulvertes Nashorn? Wurzelsirup? Getrockneten Tigerpenis?«
    »Den halten die Chinesen für ein wirksames Potenzmitrel.«
    »Potenz braucht Herr Min nicht mehr.«
    »Die chinesische Naturmedizin hat Hunderte von Mitteln. Unser Wissen darüber ist reichlich gering.«
    »Hans, gegen ein Pankreas-Ca helfen weder Akupunktur noch Akupressur, weder Teechen noch Säftchen, weder Blütenpollen noch Schlangenscheiße … und auch Beten hilft nichts. Man kann ein Carzinom und Metastasen nicht wegbeten. Man kann innerlich nur ruhiger werden und Gott bitten, es schnell gehen zu lassen. Ich habe noch nie gehört, daß man ein Pankreas-Ca mit Wurzelsaft besiegt hat.«
    »Du nicht …«
    »Beleidige mich nur weiter. Ich sage dir eins: 90 Prozent dieser chinesischen Medizin ist für uns unwissenschaftlich! Es liegen keine Untersuchungsreihen vor, keine Blindversuche, keine Langzeiterkenntnisse …«
    »Irrtum! Es liegt die Erfahrung von 4.000 Jahren vor.«
    »Wer hat das empirisch überprüft?«
    »Du bist der typische akademische Arzt! Der Schulmediziner! Außenseiter sind grundsätzlich Scharlatane. Wieviel Zeit – und Tote – hat es euch gekostet, bis ihr zugeben mußtet, daß Krebs keine örtliche Manifestation ist, sondern eine Gesamterkrankung des Körpers? Jetzt heißt es auf einmal: Gemeinsam gegen den Feind der Menschheit. Wenn früher ein Arzt wie Dr. Isseis sagte: ›Zuerst alle schlechten Zähne raus und dann Mistelextrakt und Rote-Bete-Saft trinken‹, da habt ihr ihn verklagt und ihm die Approbation entzogen, da wurde die Schulmedizin zu einem reißenden Wolf, der alles jagte, was gegen Stahl und Strahl war, gegen Operation und Nuklearmedizin. Warum soll es keine chinesische Therapie gegen Pankreas-Krebs geben?«
    Dr. Freiburg sah Rathenow mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er ging zum Barschrank, goß diesmal reinen Wodka ins Glas und reichte es seinem Freund.
    »Du bist der typische Medizin-Halbgebildete, der mit Begriffen um sich wirft, ohne zu wissen, was sie bedeuten! Hier, trink deinen Wodka und beruhige dich.« Und dann fügte er hinzu, während Rathenow das Glas aus seiner Hand nahm: »Mein Gott, wie hat China dich verdorben …«
    Rathenow ließ Dr. Freiburg zum Sommerball des Golf-Clubs ziehen und fuhr zurück nach Grünwald. Er hatte noch vieles mit ihm besprechen wollen, aber er sah ein, daß heute der denkbar ungünstigste Tag war, mit Freiburg vernünftig über seine Probleme zu reden. Doch nun beschäftigte ihn eine Frage mehr als alles andere:
    War es nicht eine gottverdammte Dummheit, sich für den krebskranken Min Ju einzusetzen? Dieser kleine König der Unterwelt, dieser gnadenlose Triade, dieses schreckliche Oberhaupt der 14K-Familie … sollte man ihn nicht so schnell wie möglich sterben lassen? Warum sollte er sein Leben weiterleben, wenn ihm das Leben anderer Menschen nicht mal ein Wimpernzucken wert war? War sein Tod nicht eine Erlösung für alle, über die er herrschte? Warum ihn retten? Warum eine Möglichkeit suchen, sein Leiden zu verringern? Wäre es nicht gerecht, wenn er bei lebendigem Leib verfaulen würde? Könnte man nicht sagen: So löse Gott souverän alle Probleme, vor denen die Menschen versagen? Ist das nicht ein Gottesurteil? Min Ju weiter leben zu lassen, kann bedeuten: noch mehr Tote, noch mehr Verstümmelte, noch mehr Gefolterte … soll er doch zur Hölle fahren, wo man auf ihn wartet!
    Das ist alles richtig, sagte sich Rathenow. Doch da gibt es einige große Aber: Wer wird nach Min Ju kommen? Aisin Ninglin, der Killer aus Leidenschaft? Der Mörder aus Berufung? Oder ein anderer Daih-Loh, den der Große Rat in Hongkong nach München schickt … aus Amsterdam, London, Manchester oder Hamburg? Oder direkt von Hongkong, wo die besten und skrupellosesten Triaden sitzen und warten, auf die einzelnen ›Filialen‹ verteilt zu werden. Die Gründer neuer ›Drachenstädte‹, von denen aus sie einmal die ganze Welt beherrschen wollen? Es war ja nur ein Tausch … Min Ju weg, der Neue da … es konnte nur noch schlechter werden. Denn neue ›Stadthalter‹ platzen vor

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