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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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umzingelt?«
    »Ja. Es sind Metastasen in der Lunge und der Leber. Und der General ist mächtiger als alles – und unbesiegbar.«
    Min Ju beugte den Kopf und sah auf seine Hände. Die Ruhe, die von ihm ausging, zerrte an Rathenows Nerven. Wäre er nicht ein Mörder, würde ich sagen: Du bist ein stiller Held.
    »Ich habe keine Chance?« fragte Min endlich.
    »In der westlichen Medizin nicht.«
    »Können unsere Ärzte mir helfen?«
    »Das weißt du eher als ich. Für unsere Ärzte bist du nicht mehr therapierbar. Dr. Freiburg rechnet mit einer Lebenserwartung von höchstens einem halben Jahr.«
    »So schlimm?«
    »Ja. Ich bin ehrlich zu dir.«
    »Aber ich spüre gar nichts in meinem Bauch.«
    »Das ist das Satanische des Pankreas-Krebses – wenn du etwas spürst, ist es bereits zu spät. Und dann geht es meistens schnell zu Ende.«
    Min Ju nickte. In seinem Gesicht zeigte sich keine Veränderung, kein Zucken, kein Flattern der Augenlider, kein Zittern der Lippen. Das ist sie, die chinesische Selbstdisziplin, dachte Rathenow. Das Innere gehört mir, es bleibt allen anderen verschlossen. Wer von uns kann das verstehen? Wir tragen alle Probleme, allen Schmerz und alle Freude auf der Zunge. Ein Chinese gibt nichts preis. »Die Zunge ist das Gefährlichste am Menschen«, hat einmal ein Philosoph gesagt, »sie kann lügen, zerstören und töten.«
    Und den Schmerz verschließen, wenn man weiß, daß Leben ein ewiger Kreislauf ist.
    Min Ju sah wieder auf. Seine Augen waren klar wie immer. Seine Stimme klang fest und bestimmt.
    »Ich werde Professor Sun Quanfu rufen«, sagte er. »Sun ist ein großer Spezialist. Er hat seine eigene Medizin entwickelt, die er niemandem verrät. Und er forscht weiter. Er ist in Amsterdam untergetaucht und betreut die ganze ›Drachenstadt‹ der 14K. Er wird nach München kommen – und mich retten.« Jetzt lächelte Min Ju sogar, als habe er eine angenehme Nachricht erhalten. »Ich nehme den Kampf gegen den General auf! Jede Umzingelung kann durchbrochen werden – das lehrt uns der Krieg. Auch der Feind hat eine Schwachstelle! Hong Bai Juan Fa, ich danke dir für deine Ehrlichkeit. Du bist ein echter Bruder, der dem anderen Bruder hilft.«
    Am nächsten Tag fuhr Rathenow wieder mit Ninglin die Lokale ab, diesmal die China-Restaurants im oberbayerischen Seengebiet. Es war eine zahme Tour, wie Ninglin sie nannte. Die Wirte nahmen den blonden Deutschen gelassen hin, zahlten korrekt ihr Schutzgeld, hörten ohne sichtbare Regung Ninglins Mahnung an: »Setzt nicht den Luftstrom in Bewegung!«, was soviel hieß wie: Wer die Polizei ruft, ist ein Toter! Und fragten sich wie alle: Wie ist es möglich, daß die Familie einen Nichtchinesen als Cho Hai schickt? Nur einmal, in einem kleinen Ort am Chiemsee, mußte Ninglin nachhelfen: Der Besitzer von ›Peking-Ente‹ ließ durch seinen Oberkellner bestellen, er sei verreist.
    Ninglin nahm die Botschaft gelassen hin. Er ging in die Küche, wo der Chefkoch vor dem großen Fleischbräter stand und die kleingeschnittenen Stückchen wendete.
    »Peng Welfan ist also verreist?« sagte er. »Der eigensinnige Mensch! Weißt du, wo Peng Welfan sich versteckt? Nein? Du schüttelst den Kopf? Ist dein Gehirn erfroren? Man sollte es auftauen!«
    Blitzschnell ergriff er den Kopf des Kochs und drückte ihn in den Fleischbräter, mitten hinein in die brodelnden Fleischstücke. Der Koch schrie gellend auf, strampelte, konnte seinen Kopf aus Ninglins Griff befreien und taumelte zurück. Sein Gesicht war wie geröstet, es würde für immer zerstört sein.
    »Peng Welfan ist nach Prien gefahren!« schrie er und drückte ein nasses Handtuch gegen sein verbranntes Gesicht. »Mehr weiß ich nicht. Und Frau und Kinder hat er mitgenommen.«
    »Wo hebt er sein Geld auf?« fragte Ninglin mit weicher Stimme. Rathenow überkam wieder das Grauen.
    »In seiner Wohnung. Oben.«
    Ninglin sah Rathenow schnell an. Ein eisiger Blick.
    »Gehen wir nach oben.«
    Die Wohnung war schön eingerichtet; nicht chinesisch, sondern bieder deutsch mit einem Bücherschrank, einer Couchecke, einem Tisch mit Spitzendeckchen, einer Fernseh- und Radiotruhe, einem versilberten Kronleuchter. Zielsicher ging Ninglin in das Schlafzimmer, riß die Matratzen aus den Betten und holte unter der Schonmatratze zwei Kuverts hervor. Triumphierend zeigte er sie Rathenow.
    »Immer der alte Trick! Alle denken: Es gibt nur Idioten, nur ich bin klug! Wenn etwas unsterblich ist, dann ist es die Dummheit!« Er warf

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